Von einem unruhigen Morgen und verstärkten Aktivitäten des Feindes berichtete der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod auf Social Media. Zu ihrer Sicherheit müssten die Bewohner eines Bezirks nahe der ukrainischen Grenze evakuiert werden.
Am Nachmittag fasste der amtierende Gouverneur der hauptsächlich betroffenen Region Kursk die Lage zusammen, bei einer Videokonferenz mit Kremlchef Wladimir Putin: Über 120’000 Menschen seien evakuiert worden oder seien geflohen, weitere rund 60’000 müssten das Gebiet noch verlassen. 28 Ortschaften seien in ukrainischer Hand, die ukrainische Armee sei auf 40 Kilometern Breite etwa 12 Kilometer tief auf russisches Gebiet vorgestossen.
Putins Antwort steht noch aus
Putin drohte den Ukrainern mit einer angemessenen Antwort. Doch die steht aus, und russische Militärblogger berichteten von einem weiteren Vorrücken der Ukrainer. Genauere Angaben gibt es nicht, die ukrainische Seite geizt nach wie vor mit Informationen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sagte in seiner Ansprache am Sonntagabend lediglich, es gehe darum, den Krieg aus der Ukraine hinauszudrängen und auf russisches Gebiet zu tragen. Man wolle mit Druck auf den Aggressor Gerechtigkeit wieder herstellen.
Land und Gefangene
Doch inzwischen haben sich mehrere konkrete Ziele des ukrainischen Vorstosses herauskristallisiert: Russland wird zunächst die eigene Verletzlichkeit vor Augen geführt, ausserdem signalisiert die ukrainische Armee ihren Verbündeten und der eigenen Bevölkerung, dass sie Erfolge erzielen kann. Das hebt die Moral, ein wichtiger Faktor in einem Krieg.
Das eroberte Gebiet will man offenbar halten – und sich so in künftigen Verhandlungen mit Russland einen Vorteil verschaffen. Die Ukrainer hoffen ausserdem, dass Russland Truppen von anderen Frontabschnitten abzieht, an denen die Ukrainer in Bedrängnis sind. Doch das scheint vorerst nicht zu gelingen – im Donbass machen die Russen weiterhin kleine Gebietsgewinne.
Und schliesslich geht es um Kriegsgefangene. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Ukrainer bei ihrem Vorstoss viele Gefangene gemacht haben. Es sollen über 1000 sein, vor allem junge Wehrpflichtige und auch Kämpfer der tschetschenischen Einheiten. Das gibt der Ukraine die Möglichkeit, eigene Leute aus russischer Gefangenschaft zurückzuholen.
Ein riskantes Spiel
Trotz alledem stellt sich nach wie vor die Frage, ob sich diese riskante Aktion für die Ukraine längerfristig lohnt: Die Soldaten und Waffen werden wohl an anderen Frontabschnitten fehlen, oder vielleicht müssen die Einheiten irgendwann doch zurückweichen oder werden aufgerieben.
Für ein abschliessendes Fazit ist es noch zu früh.