Darum geht es: Am Wochenende wurde die ukrainische Hauptstadt Kiew erneut bombardiert. Auch andere Städte, fernab der Front im Osten, haben Angriffe gemeldet. Einige der Angriffe wurden von Belarus aus gestartet. Derweil hat Russlands Präsident Wladimir Putin angekündigt, atomwaffenfähige Raketen nach Belarus verlegen zu wollen.
Das bezweckt Putin damit: Der Plan, solche Raketen in Belarus zu stationieren, ist nicht neu. Ende Februar, nur wenige Tage nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine, fand in Belarus ein Verfassungsreferendum statt. Mit dessen Annahme wurde unter anderem das Verbot für die Stationierung von Atomwaffen aus der Verfassung gestrichen.
Die Neustationierung von Atomwaffen in Belarus ist ein weiterer Rückschritt in Zeiten des Eisernen Vorhangs.
«Während des Kalten Krieges war Belarus für die Sowjetunion eine Art Vorposten gegenüber dem Westen, mit Atomwaffen», erklärt SRF-Russlandkorrespondentin Luzia Tschirky. «Diese Neustationierung von Atomwaffen in Belarus ist ein weiterer Rückschritt in diese Zeiten des Eisernen Vorhangs und damit auch ein politisches Ziel von Putin.»
Deshalb dieses Timing: Der Zeitpunkt der Ankündigung der Verlegung von Raketen nach Belarus scheint bewusst geplant. Denn diese Woche stehen mit den Treffen der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) sowie des Nato-Militärbündnisses zwei wichtige Treffen an. «Putin ist bekannt dafür, dass er wichtige, weltpolitische Treffen wie etwa das der G7 zum Anlass nimmt, seine Drohungen noch einmal zu wiederholen und möglichst allen vor Augen zu führen, wie wenig er im Grunde an einem Dialog interessiert ist», sagt Tschirky.
Es geht Putin darum, weitere Truppenverlegungen in den Osten des Landes möglichst zu verhindern.
Putins aktuelle Drohkulisse ist ihrer Ansicht nach aber nicht in erster Linie an die G7-Staaten gerichtet. Vielmehr an die Ukraine direkt: «Es geht dem russischen Präsidenten vor allem darum, die ukrainische Armee in eine schwierige Lage zu bringen und durch die Drohkulisse an der belarussisch-ukrainischen Grenze möglichst weitere Truppenverlegungen in den Osten des Landes zu verhindern.»
Das ist die Rolle von Belarus: Belarus ist für Russland ein strategisch wichtiger Partner, ein «Helfershelfer der Russen» in diesem Krieg, wie SRF-Auslandredaktor David Nauer in der Sendung «Rendez-vous» sagt. Denn Minsk erlaubt Angriffe von seinem Territorium aus. Im Februar war es ein Einmarsch russischer Panzer von Belarus aus, jetzt sind es regelmässige Attacken mit Raketen. Die Russen dürfen auch die belarussische Infrastruktur benützen, etwa die Eisenbahn.
Belarus unterstützt den Kreml in diesem Krieg also, nimmt aber nicht direkt daran teil. «Die Gefahr, dass Belarus mittelfristig selber in den Krieg eintritt und Truppen in die Ukraine schickt, ist mit den angekündigten Truppenübungen im Grenzgebiet gestiegen», erklärt Tschirky. «Nun wächst in der Ukraine in der Tat die Angst, dass sich auch belarussische Truppen am Krieg aktiv beteiligen könnten.»
Das wäre die politische Bedeutung: Sollte sich Belarus tatsächlich mit Truppen am Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine beteiligen, hätte dies zur Folge, dass Belarus zu einer aktiven Kriegspartei werden würde. «Durch die Stationierung und den Abschuss von Raketen von belarussischem Staatsgebiet aus nehmen viele Menschen in der Ukraine Belarus bereits seit Kriegsbeginn als Partei wahr», so Tschirky. «Aber wenn sich nun belarussische Truppen künftig tatsächlich aktiv am Krieg beteiligen sollten, dann wäre Belarus ganz offiziell Kriegspartei.»