Letzten Sommer befand sich das US-polnische Verhältnis auf einem Tiefpunkt. Das polnische Parlament hatte ein Mediengesetz verabschiedet, das unter anderem die Existenz eines US-amerikanischen Fernsehsenders bedrohte. Die US-Regierung sah die Medienfreiheit bedroht. «Das Gesetz könnte das günstige Investitionsklima unterlaufen», sagte US-Aussenminister Antony Blinken mit einer kaum verhüllten Drohgeste.
Biden-Regierung auf Distanz
Die Misstöne kamen nicht unerwartet. Schon während seines Wahlkampfs schoss Joe Biden Richtung Warschau. «Man sieht ja, was in Belarus über Polen bis Ungarn geschieht und all den totalitären Regimes dieser Welt», sagte Joe Biden im Oktober 2020. Er warf seinem Gegner Donald Trump vor, alle «Rüpel der Welt» zu unterstützen. Im Gegensatz zu Trump, der die EU als Debattenverein ansah und die Nähe zu Ungarn und Polen suchte, sah die Biden-Regierung die beiden osteuropäischen EU-Länder als Teil eines illiberalen Backlashs.
Neuanfang im Zeichen des Kriegs
Doch das ist Musik von gestern. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Karten neu verteilt. Und Polen geniesst nun Favoritenstatus. Vizepräsidentin Kamala Harris, Aussenminister Antony Blinken und nun Präsident Joe Biden haben Warschau nacheinander besucht. Das Nato-Land an der Grenze zur Ukraine ist militärisch zur ersten Verteidigungslinie gegen Russland geworden, zur logistischen Drehscheibe für die Waffenlieferungen in die Ukraine. Und es ist mit seinen neuen Flüssiggas-Terminals energiepolitisch relevant.
Das alles macht Polen zu einem wichtigen Teil der westlichen Allianz gegen Russland, welche die US-Regierung bereits seit November schmiedet.
Für kurze Irritation sorgte der unilaterale Vorstoss der polnischen Regierung, Kampfjets in die Ukraine zu liefern. Polen wurde zurückgepfiffen, und die Angelegenheit scheint den Besuch Joe Bidens nicht mehr zu trüben.
Demokratieförderung als Teil des Hilfsprogramms
Bei seinem zweitägigen Besuch zeigt sich Präsident Joe Biden beeindruckt von der enormen humanitären Hilfe, die Polen leistet. Über eine Milliarde Dollar stellt die US-Regierung für die Flüchtlingshilfe für die Grenzländer der Ukraine bereit. Ein Teil dieser humanitären Hilfe kommt der Förderung von demokratischen Institutionen und Menschenrechten zu. Explizit nennt die US-Regierung die Rechte von LGBT-Flüchtlingen. Ganz vergessen hat die US-Regierung den anti-freiheitlichen Backlash in Ost-Europa also nicht.