Darum geht es: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert mittlerweile schon fast fünf Monate. Zuletzt konzentrierten sich die russischen Angriffe vor allem auf den Osten der Ukraine. Russische Truppen konnten dabei erfolgreich vordringen. Nun kündigte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski eine Gegenoffensive an.
Im Fokus steht die Region um die Stadt Cherson. Eine Gegenoffensive in dem Sinne, dass die Ukraine grössere Gebiete zurückerobere, sei bis jetzt jedoch nicht im Gang, sagt SRF-Auslandredaktor David Nauer.
«Dennoch kann man sagen, dass die Ukrainer mindestens für den Moment aus der Defensive gekommen sind», so der ehemalige Russland-Korrespondent. «Sie haben in den letzten knapp zwei Wochen erfolgreich russische Munitionslager und Kommandoposten angegriffen.» Die Rede ist von mindestens einem Dutzend erfolgreicher Attacken. «Die letzte erfolgte vergangene Nacht: Nach Beschuss explodierte ein Waffenlager bei Cherson – auf Videos ist eine ungeheure Explosion zu sehen.»
Das ist die Strategie dahinter: Die Ukrainer wollen die Russen dort schwächen, wo sie bisher am stärksten sind, wie der ehemalige Russland-Korrespondent erklärt. «Die Russen haben in den letzten Monaten Gebiete erobert, weil sie ganze Städte einfach mit Artillerie kaputt geschossen haben.» Moskaus Truppen hätten eine Übermacht an Artillerie. «Wenn die Ukrainer nun die Waffendepots angreifen, in denen vor allem Artilleriemunition gelagert ist, dann ziehen sie der russischen Kriegsmaschine sozusagen die Zähne – und können dann eventuell an einigen Frontabschnitten sogar zum Gegenangriff übergehen.»
So wichtig ist die westliche Munition: Die Waffenlieferungen, die jetzt nach und nach in der Ukraine eintreffen, spielen gemäss Nauer eine sehr grosse Rolle. «Diese Angriffe der Ukrainer sind überhaupt erst mit westlichen Waffen möglich geworden, namentlich mit amerikanischen Raketenwerfern, die nicht nur sehr weit schiessen, sondern auch sehr genau. Sie sind den russischen respektive sowjetischen Waffen bei Weitem überlegen.» Allerdings besitze die Ukraine nur wenige Stück.
Das bedeuten die Angriffe für Russland: Für die Russen sind die Verluste von Munitionsdepots ein schwerer Rückschlag. «Prorussische Militärblogger sind richtiggehend alarmiert», sagt Nauer. Die westlichen Waffen hätten das Gewicht eindeutig zugunsten der Ukraine verschoben.
Präsident Wladimir Putin könnte eine Generalmobilmachung erlassen.
«Allerdings hat Russland auch viele Möglichkeiten, darauf zu reagieren», fügt der SRF-Mitarbeiter an. «Es kann neue Munitionslager weiter weg von der Front aufbauen, es kann die Angriffe auf die Ukraine verstärken – etwa mit Raketen – oder, was auch immer als Drohung herumgeistert: Präsident Wladimir Putin könnte eine Generalmobilmachung erlassen.» Dadurch würde sich die russische Armee um ein Vielfaches vergrössern. Dies wiederum würde den Verlauf des Krieges massiv beeinflussen.