Die deutsche Regierung ringt weiter um einen Entscheid bei der Frage um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Es geht um die eigenen Bestände des Typs Leopard 2 und um die polnischen. Polen bräuchte eine Genehmigung Deutschlands, will aber notfalls auch ohne diese handeln. Aus Deutschland kommen unklare Signale. Politologin Claudia Major schätzt das Zögern ein.
SRF News: Wie viel bewegt sich in der Panzerfrage?
Claudia Major: Wir haben in den letzten Tagen Äusserungen von Aussenministerin Baerbock und von Wirtschaftsminister Habeck gesehen, die offensichtlich eine Lieferung unterstützen würden. Aber im Endeffekt wird der Bundeskanzler entscheiden. Da sehen wir noch nicht viel Veränderung.
Deutschland will keine Eskalation und zögert. Macht es einen Unterschied, ob man Polen grünes Licht gibt oder ob man eigene Panzer liefert?
Das Eskalationsargument ist für das Kanzleramt offenbar wichtig. In London teilt man diese Sorge der Eskalation offensichtlich nicht: Grossbritannien hat zugesagt, 14 Challenger-Panzer zu liefern. In Ramstein wurde ein grosses Paket verabschiedet, um die Ukraine militärisch zu unterstützen. Ich finde es seltsam, zu sagen, der Kampfpanzer Leopard würde zur Eskalation führen. Wichtig ist auch das Argument der Bevölkerungszustimmung. Laut neuen Zahlen unterstützen über 50 Prozent der Deutschen eine Panzerlieferung. Zu sagen, wir gehen nur so weit, wie es die Bevölkerung zulässt, stimmt nicht mehr.
Aus der SPD hört man, man möchte mit den USA zusammen entscheiden. Warum ist Deutschland dieser Gleichschritt mit den USA so wichtig?
Deutschland hat zu Recht lange gesagt, wir machen das nur gemeinsam mit Partnern. Doch letztlich geht es um genau einen Partner: die USA. Ich kann verstehen, dass man die USA an seiner Seite haben möchte.
Deutschland geht damit eher das Risiko ein, alleine dazustehen.
Ich kann aber nicht nachvollziehen, dass sich Deutschland dem so entzieht – angesichts der riesengrossen militärischen Unterstützung der USA an die Ukraine, und der grossen politischen Ermutigung aus Washington für Berlin. Deutschland geht damit eher das Risiko ein, alleine dazustehen, während andere Partner voranschreiten möchten.
Die SPD argumentiert, dass nach den Panzern schnell Flugzeuge und dann die Truppen kämen. Könnte die Leopard-Lieferung ein Dammbruch für solche Formen von Militärhilfe sein?
Ich halte das Wort Dammbruch hier für völlig falsch. Wir müssen uns lösen von dieser Fokussierung auf ein bestimmtes Waffensystem. Auch der Kampfpanzer ist keine Wunderwaffe, der den Krieg entscheiden wird. Er ist Teil eines grösseren, notwendigen Waffenpaketes.
Auch der Kampfpanzer ist keine Wunderwaffe, der den Krieg entscheiden wird.
Doch wenn es das Ziel ist, dass die Ukraine ihr eigenes Gelände befreien soll, stellt sich die Frage: Sollen wir Kampfhubschrauber liefern? Sollen die westlichen Staaten Flugzeuge liefern, wie beispielsweise die von der Slowakei ins Spiel gebrachte Mig-29?
Was ist also die Idee hinter den Waffenlieferungen?
Die Waffenlieferungen sollen die Ukraine in die Lage versetzen, Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Das Ziel sind Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Bislang hat Russland kein Interesse daran gezeigt.
Es gibt grossen Druck aus dem Ausland, dass Deutschland diese Panzer liefert. Wie lange kann Olaf Scholz diesem Druck noch standhalten?
Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen, vielleicht sogar schon Tagen eine Entscheidung geben wird. Aber es wäre schöner gewesen, wir hätten sie gestalten können, als sie ertragen zu müssen.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.