Was ist passiert? Der russische Präsident Wladimir Putin hat in den vier kürzlich annektierten ukrainischen Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischja den Kriegszustand verhängt. Ein entsprechendes Dekret habe er bereits unterschrieben, sagte Putin bei einer im Staatsfernsehen übertragenen Ansprache im nationalen Sicherheitsrat.
Was bedeutet der Kriegszustand für die betroffenen Regionen? Mit der Verhängung des Kriegszustands gehen erweiterte Machtbefugnisse für die russischen Besatzungsverwaltungen in den vier annektierten Gebieten einher. Damit wächst die Gefahr, dass die Männer zum Dienst in der russischen Armee gezwungen werden und gegen ihre Landsleute kämpfen müssen, schreibt die Deutsche Presse-Agentur. Ausserdem können Bewohner nun zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen oder an Reisen gehindert werden. Möglich sind dem Dekret zufolge jetzt auch offiziell die Einführung von Militärzensur oder das Abhören privater Telefongespräche. Gemäss dem russischen Menschenrechtsanwalt Pawel Tschikow werden auch Checkpoints eingerichtet. Möglich seien auch Festnahmen von bis zu 30 Tagen, die Beschlagnahme von Eigentum, die Internierung von Ausländern sowie Reisebeschränkungen für russische Staatsbürger ins Ausland.
Wie begründet Putin die Massnahme? Die Verhängung des Kriegszustands begründete Putin damit, dass Kiew es ablehne, die Ergebnisse der im September abgehaltenen Abstimmungen über einen Beitritt zu Russland anzuerkennen. «Im Gegenteil, der Beschuss geht weiter. Unschuldige Menschen sterben», sagte Putin. Seiner Darstellung zufolge sind Rückeroberungsversuche der Ukraine nun Angriffe auf russisches Staatsgebiet.
Putin hatte Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischja Ende September nach mehreren Scheinreferenden völkerrechtswidrig annektieren lassen. International wird der Schritt nicht anerkannt. Kürzlich hatte die UNO-Vollversammlung in einer Resolution mit grosser Mehrheit Russland aufgefordert, den Anschluss der teils besetzten Regionen rückgängig zu machen. Der UNO-Beschluss ist völkerrechtlich allerdings nicht bindend.
Wie reagiert die Ukraine? Ungeachtet des von Putin verhängten Kriegszustands will Kiew die Rückeroberungsversuche zur Befreiung besetzter ukrainischer Gebiete fortsetzen. Der Schritt aus Moskau ändere nichts, teilte der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter mit. «Die Einführung des Kriegsrechts in den besetzten Gebieten durch die Russische Föderation sollte nur als Pseudolegitimierung der Plünderung des Eigentums der Ukrainer (...) betrachtet werden», schrieb er. Die Ukraine werde die Befreiung der von Russland besetzten Territorien fortsetzen.
Wie ist die militärische Lage? In der Ukraine war das russische Militär zuletzt unter Druck geraten und stellt sich jetzt auf eine ukrainische Grossoffensive in Cherson ein. Der Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine sagte, die Lage sei schwierig. Zugleich forderten die russischen Behörden die Bevölkerung in Cherson auf, sich in Sicherheit zu bringen.