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Kriegsrecht in Südkorea Missglückter Befreiungsschlag von Präsident Yoon

Das überraschend verhängte Kriegsrecht durch Präsident Yoon war für weite Teile der südkoreanischen Bevölkerung ein Schock. Die Kriegsgefahr durch Nordkorea ist allgegenwärtig. Immer wieder kommt es zu militärischen Scharmützeln zwischen Nord- und Südkorea. Krieg ist auf der koreanischen Halbinsel eine reale Gefahr, doch Krieg will eigentlich niemand.

Das Kriegsrecht zu verhängen, steht dem südkoreanischen Präsidenten zwar verfassungsmässig zu, doch es in der gegenwärtigen Lage zu verhängen, ist ein gewaltiger und sehr aussergewöhnlicher Akt. Dass Yoon von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, zeigt, wie verzweifelt und wohl auch frustriert der südkoreanische Präsident ist.

Keine Mehrheit im Parlament

Yoon errang 2022 in der Präsidentenwahl einen knappen Sieg. Doch seine konservative Partei hat im Parlament keine Mehrheit. Yoon kann daher seine Ideen und Visionen nicht umsetzen. Dies hat sich zuletzt in der Parlamentsdebatte ums Budget gezeigt. Auch gibt es Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder in Yoons Partei und gegen Yoons Ehefrau.

All dies scheint das Fass für den Präsidenten zum Überlaufen gebracht zu haben. Doch sein geplanter Befreiungsschlag über das Kriegsrecht ist missglückt. Das Parlament überstimmte Yoons Entscheid, und der Präsident steht nun noch schwächer da als zuvor.

Sicherheitspolitische Auswirkungen

Südkorea steht unter dem militärischen Schutzschild der USA. Das plötzliche Verhängen des Kriegsrechts ohne veränderte Bedrohungslage und ohne die USA im Vorfeld einzuweihen, schadet den Beziehungen zwischen Seoul und Washington. Dies auch mit Blick auf den Präsidentenwechsel in den USA.

Südkorea versucht, sein Verhältnis mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump zu verbessern und zu festigen. Dies vor dem Hintergrund, dass Yoons Vorgänger mit Trump während dessen ersten Amtszeit aneinandergeraten war. Dabei ging es etwa um Handelsfragen und die Abgeltung der in Südkorea stationierten US-Truppen.

Unbeliebter Yoon

Präsident Yoon ist nicht nur bei der Opposition, sondern auch in der Bevölkerung unbeliebt. Dies zeigen seine tiefen Umfragewerte. Zwar ist der Präsident in Südkorea für fünf Jahre gewählt, Yoons Amtszeit dauert daher auf dem Papier bis 2027. Doch nach dem jüngsten Eklat zwischen ihm und dem Parlament rund um das Kriegsrecht geht seine Präsidentenkarriere möglicherweise schon früher zu Ende.

Zwei Szenarien stehen im Raum: Entweder tritt Yoon selbst vorzeitig zurück oder er wird dazu gezwungen werden. Das angestrebte Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon wird nach den Ereignissen vom Dienstag sicherlich zusätzlich Auftrieb erhalten.

Thomas Stalder

Japan-Korrespondent

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Thomas Stalder ist als Korrespondent für SRF in Japan tätig.

SRF 4 News, 4.12.2024, 1:00 Uhr

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