Die Verfassung ist das Fundament eines Staates. In der Schweiz garantiert sie die persönlichen Freiheitsrechte. Und so manches, was tief in die Seele der Eidgenossen blicken lässt: Zum Beispiel, dass die Schweizer Wanderwege gehegt und gepflegt werden müssen.
Auch die stalinistische Diktatur Nordkorea verfügt über eine Verfassung. Dass sie allzu tief in die Seele der Bevölkerung blicken lässt, darf bezweifelt werden. Dafür liefert sie ungefilterte Aufschlüsse darüber, wie das Regime tickt.
Jetzt auch per Verfassung verfeindet
Neuestes Beispiel: Per Verfassungsänderung hat Machthaber Kim Jong-un Südkorea zum «Hauptfeind» erklärt. Wirklich überraschend ist das nicht. Obwohl der Korea-Krieg schon seit 1953 zu Ende ist, herrscht lediglich eine (ausgedehnte) Feuerpause zwischen den Nachbarn. Offiziell befinden sich Nord- und Südkorea noch immer im Kriegszustand.
Was nun in der Verfassung über den «eindeutig feindlichen Staat» niedergeschrieben wurde, wurde in den letzten Tagen von Sprengmeistern angekündigt: Nordkorea hat die Strassen und Bahnverbindungen nach Südkorea zerstört.
«Dies ist eine unvermeidliche und legitime Massnahme in Übereinstimmung mit der Verfassung der DVRK, die die Republik Korea klar als feindlichen Staat definiert», erklärte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.
Maximale Abgrenzung gegenüber Südkorea
Angesichts eines über 70 Jahre andauernden Konflikts, der mal köchelt und mal zu eskalieren droht, überrascht die Verfassungsänderung nicht. Sie ist aber mehr als Symbolik. Für Machthaber Kim Jong-un gehe es um die «maximale Abgrenzung gegenüber Südkorea», schätzt der Journalist Martin Fritz, der aus Tokio berichtet.
Die Verfassungsänderung bedeutet auch, dass Nordkorea eine mögliche Wiedervereinigung mit Südkorea offiziell aufgebeben hat. «Sie ist sozusagen der formale Ausdruck der neuen Zwei-Staaten-Doktrin», erklärt Fritz.
Südkorea hingegen bekräftigte, weiterhin an einer Politik der nationalen Einheit festzuhalten, sich aber jeder Aggression aus dem Norden zu widersetzen. Das «Vereinigungsministerium» in Seoul kritisierte Nordkoreas Verfassungsänderung scharf: Sie sei «anti-national» und enttäusche die Hoffnungen der Menschen in beiden Ländern.
Eine Botschaft auch ans eigene Volk
Die Ereignisse der letzten Tage belegen aber, dass Kim Jong-un alle Brücken zwischen Pjöngjang und Seoul einreissen will. Und zwar buchstäblich. Dazu passt, dass die Grenze zum Süden am 38. Breitengrad massiv befestigt wird: Neue Panzersperren, Kurzstreckenraketen und Minen stehen sinnbildlich dafür, dass jede Annäherung unerwünscht ist.
«Die Idee vom feindlichen Staat im Süden wird nun mit einer Verfassungsänderung institutionalisiert», schliesst Fritz. Gleichzeitig wolle der Diktator auch eine Botschaft nach innen senden: Jede Hoffnung auf Veränderung könnt ihr fahren lassen.