Ägypten steckt in einer heftigen Wirtschaftskrise, manche können sich kaum genug Essen leisten. Das ägyptische Pfund verliert ständig an Wert, die Inflation ist hoch. Der Druck auf die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi steht so stark unter Druck, dass offenbar der hochrentable Suezkanal für ausländische Investoren geöffnet werden soll.
SRF News: Wie ist die momentane Situation in Ägypten?
Anne Allmeling: Sie ist sehr schwierig. Vor allem die Preissteigerungen sind enorm – viele Menschen haben kaum noch genug Geld für die Grundnahrungsmittel. So hat im Supermarkt hier um die Ecke ein Kilogramm Reis im Oktober umgerechnet rund 50 Rappen gekostet – jetzt sind es fast 2.50 Franken. Die Menschen können sich eine Verfünffachung der Nahrungsmittelpreise schlicht nicht leisten.
Kommt wieder Getreide aus der Ukraine und Russland? Wie teuer ist der Weizen?
Die Weizenpreise sind massiv gestiegen – respektive die Brote haben sich massiv verkleinert. So haben sich die Brotpreise verdoppelt oder verdreifacht, und das für kleinere Brote. Zwei Drittel der Ägypterinnen und Ägypter erhalten allerdings subventioniertes, sehr günstiges Brot.
Die Regierung weiss, dass sie bei einer Streichung der Brot-Subventionen Unruhen riskieren würde.
Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass dies ändern soll. Die Regierung weiss, dass sie in diesem Fall Unruhen riskieren würde. Mittelfristig versucht sie, den Anbau von Weizen im eigenen Land zu forcieren sowie andere Lieferanten als die Ukraine und Russland anzubinden.
Wie steht es mit Fleisch? Offenbar fehlt Soja und Mais zur Mästung der Hühner.
In der Tat fehlt dieses Futter – die günstigen Lieferungen aus der Ukraine sind weggebrochen, und es fehlt das Geld, das Futter von anderswo zu beziehen.
In den ägyptischen Häfen sollen sich riesige Futter- und Nahrungsmittelmengen angesammelt haben, die nicht bezahlt und damit auch nicht gelöscht werden können.
Es ist die Rede von Importwaren im Wert von 14 Milliarden Dollar, die blockiert waren. Inzwischen konnte sich die Regierung sechs Milliarden Dollar besorgen, um einen Teil der Ware zu deblockieren. Woher dieses Geld kommt, ist allerdings unklar.
Die Regierung hat einen Fonds eingerichtet, über den sich auch ausländische Investoren am Suezkanal beteiligen können. Wurde das gemacht, um an Devisen zu kommen?
Es blickt niemand so richtig durch, was die Pläne und das Ziel der Regierung sind – ob es um den Kanal selber geht oder um Investitionszonen um den Kanal herum. Möglicherweise ist die Ankündigung auch ein Testballon, um zu schauen, wie gross das Interesse ist.
Die Golfstaaten haben ein grundsätzliches strategisches Interesse an Häfen in der Region.
Der Suezkanal in Staatsbesitz ist eine heilige Kuh in Ägypten. Trotzdem versucht die Regierung, nun dem grossen finanziellen Druck zu begegnen, indem sie Firmen privatisiert, neue Investitionszonen schafft und Häfen oder Terminals privatisiert. Auch Aktienverkäufe, etwa an die Golfstaaten, sind wohl möglich. Diese haben an den Häfen in der Region ein grundsätzliches strategisches Interesse.
Wie verhält sich die Bevölkerung angesichts der schwierigen Lage?
Das ist nicht ganz einfach zu beurteilen – es gibt keine Meinungsumfragen. In den sozialen Medien sind jedoch sehr viele Äusserungen von Unzufriedenheit festzustellen. Vor allem die steigenden Preise sind auch über ein Thema, sei es im Taxi oder beim Einkaufen. Das beschäftigt die Menschen stark. Und man merkt, dass ordentlich Druck im Kessel ist.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.