Der Ukraine-Krieg sorgt für weltweit steigende Getreidepreise. Leidtragende sind vor allem die armen Länder Afrikas. Das bereitet den Regierungen Sorge. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Brotmangel zu Aufständen oder sogar Kriegen führen kann. Und doch hört man aus wichtigen Staaten der Region kaum Kritik am russischen Angriffskrieg. Auch nicht aus Ägypten.
Woran das liegt, erklärt Anne Allmeling. Sie ist ARD-Korrespondentin in Kairo: «Der Getreidemangel ist spürbar. Er hat in Ägypten aber noch keine grösseren Ausmasse angenommen. Brot in Ägypten gibt es weiterhin.» Die ägyptische Regierung betont wiederholt, dass die Speicher noch für einige Monate gefüllt seien.
Es gibt noch einen weiteren Grund für das Schweigen Ägyptens: «Die Regierung will die Beziehungen mit Russland nicht aufs Spiel setzen, will Russland nicht verärgern. Und sie spricht deshalb in den Medien nicht von einem Angriffskrieg auf die Ukraine. Es ist die Rede von einer Weltkrise, die zu steigenden Preisen geführt hat», erläutert die Journalistin Allmeling. Ägypten will Russland nicht verärgern. Denn die Beziehungen sind auf verschiedenen Ebenen wichtig.
Die wirtschaftliche Ebene
Ägypten ist der weltweit grösste Importeur von Weizen. Das Land muss sich auf Russland verlassen können, wenn die Vorräte zur Neige gehen. Ein weiteres wirtschaftliches Interesse sind laut Anne Allmeling die russischen Touristinnen und Touristen oder das Atomkraftwerk, das mit russischer Hilfe an der Nordküste gebaut wird.
Die militärische Ebene
Die ägyptische Regierung will ihre Waffensysteme diversifizieren. Sie will sich nicht nur mit Waffen aus Deutschland und Frankreich ausstatten, sondern auch mit solchen aus Russland. «Militärisch setzt Ägypten auf Russland», sagt Allmeling.
Die politische Ebene
«Politisch ist Russland für autokratisch regierte Länder wie Ägypten natürlich sehr bequem», so die Journalistin in Kairo, «weil die russischen Partner nicht nach Menschenrechten fragen. Sie üben an Ägypten oder anderen Ländern nicht öffentlich Kritik.»
Und was bietet Ägypten?
Russland sieht Ägypten als «Tor zum Nahen Osten oder vielleicht sogar als Tor zu Afrika», sagt Anne Allmeling. Russland hat zwar Beziehungen zum Iran und zu Syrien. Doch letztere seien geächtet in der Weltöffentlichkeit – und somit sei das nicht wirklich ein Tor in die arabische Welt. Ägypten hingegen sei ein wichtiger Ansprechpartner für Putin.
Zudem sei Ägypten ein interessanter Absatzmarkt für russische Produkte mit seinen mehr als 100 Millionen Menschen. «Und militärisch liefert Russland Waffen an Ägypten und hofft sicherlich, auch in andere Länder Afrikas russische Waffen exportieren zu können», so die ARD-Korrespondentin.
In den letzten Jahrzehnten war Ägyptens Beziehung zum Westen sehr stark. Die aussenpolitische Strategie Ägyptens kann man nun zusammenfassen zu «von Russland profitieren, aber den Westen nicht brüskieren». Dem stimmt Anne Allmeling zu. Denn Ägypten wolle die Beziehungen zum Westen aufrechterhalten, wolle die Militärhilfe aus den USA entgegennehmen. Auch die Investitionen Europas seien wichtig.
Doch profitieren wolle das Land von beiden Grossmächten, sagt die Journalistin. «Ägypten bewegt sich zwischen den Grossmächten in einem angenehmen Abstand zu beiden. Und zwar in einer angenehmen Nähe, die es Ägypten ermöglicht, von beiden Seiten zu profitieren.»