Markus Söder ist ein Phänomen. Eben noch der erzkonservative Hardliner aus Bayern, gibt er heute den gütigen und jovialen Landesvater so überzeugend, dass seine Zustimmungswerte ins Unermessliche steigen: 94 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern sind mit ihrem Ministerpräsidenten zufrieden. So etwas gab es noch nie in Deutschland.
Dabei war Söder noch 2018 verantwortlich gewesen für das schlechteste Wahlergebnis der CSU seit siebzig Jahren und galt als unpopulärster Ministerpräsident Deutschlands. Der Versuch, mit einer extrem harten Linie in der Asyl- und Migrationspolitik der AfD das Wasser abzugraben, war gründlich misslungen.
Die Gunst der Stunde
Aber in dieser Zeit der Verunsicherung scheint Markus Söder genau den richtigen Ton zu treffen. Söder verkündete den Lockdown in Bayern vor allen anderen Bundesländern. Von Amtskolleginnen erntete er dafür Kritik, «verhaltensauffällig» nannte ihn der Chef der Linken im Bundestag. Doch die Kritik perlt ab.
Er ordnet persönlich an, erklärt massive Grundrechtsbeschränkungen so, dass sie alternativlos scheinen, wirkt, als wisse er immer, was zu tun ist und lässt keine Spur von Selbstzweifel erkennen. Markus Söder verkauft die momentan gefragteste Ware: Sicherheit.
Kommunikation ist sein Handwerk
Das Aufmerksamkeits-Management beherrscht Markus Söder. Nach seinem Jura-Studium liess er sich beim Bayerischen Rundfunk zum Fernsehjournalisten ausbilden und betreute später die PR-Abteilung einer grossen Baufirma (der seines Schwiegervaters). Kommunikation ist sein Handwerk.
Lange wirkte Markus Söder brachial und bewies wenig Sinn für Timing und Tonalität. Er galt als Populist. Doch die Krise verleiht ihm die nötige Ernsthaftigkeit. Er muss keine Schlagzeilen mehr generieren, sie überschlagen sich von alleine. Und so findet er als Landesvater seine perfekte Rolle.
Viel Platz auf der Bühne
Daneben wirkt Armin Laschet, der bisher aussichtsreichste der drei offiziellen Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz und das Kanzleramt, nervös und unsicher. Dass er Söder für dessen Vorpreschen kritisierte, liess ihn kleinmütig erscheinen und fiel eher auf ihn selbst zurück, als dass es dem bayerischen Hühnen etwas hätte anhaben können.
Armin Laschet hat als Ministerpräsident des grössten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen immerhin Medienpräsenz. Seine Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen besitzen kein Exekutiv-Amt und sind durch Corona praktisch aus der Öffentlichkeit verschwunden. So bleibt viel Platz auf der Bühne für Markus Söder, den neuen Hoffnungsträger der Union.
Auch die CDU erhält dank der Kanzlerin und ihres Krisenmanagements viel Zuspruch, nähert sich gar der 40-Prozent-Marke. Die Chancen stehen gut, das Kanzleramt auch nach der Ära Merkel weiter für sich beanspruchen zu können – sofern die CDU den richtigen, mehrheitsfähigen Kandidaten ins Rennen schickt.
Einer wie Söder wird nicht Nein sagen
Vieles spricht für Söder, aber eines vor allem gegen ihn: Er ist Bayer. Noch nie gelang einem CSU-Kandidaten die Wahl zum Kanzler. Es gilt das geflügelte Wort, ein Bayer könne nicht Kanzler werden. Doch bisher hat auch noch nie ein deutscher Politiker Umfragewerte wie Markus Söder erreicht. Solche Werte kann keine Partei ignorieren.
Noch sind es anderthalb Jahre bis zur Bundestagswahl, und bis dahin kann viel passieren, erst recht in Zeiten wie diesen. Aber wenn die CDU ihre beste Chance zum Machterhalt in Markus Söder sieht, werden andere zurückstehen müssen. Einer wie Markus Söder wird dazu nicht Nein sagen.