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Krisengipfel zur Ukraine Jetzt sind die einzelnen EU-Staaten in der Pflicht

Europa ist unter Zugzwang, unter Druck der USA, konkrete Vorschläge zu präsentieren, wie der Kontinent ohne die USA im Rücken der Ukraine die nötigen Sicherheitsgarantien geben könnte. Die Europäische Union dürfte damit überfordert sein. Das muss nicht unbedingt schlecht sein.

Sieben EU-Staaten versammeln sich in Paris. Nicht alle 27. Man kann darin eine Schwäche sehen oder eine Bestätigung, dass die vorgespielte Geschlossenheit der EU-Mitgliedsländer gar nicht existiert. Unbestritten: Der Krieg in der Ukraine zeigt der EU ihre Grenzen mehr als deutlich auf.

Überforderte EU

Die EU ist überfordert, ihre Rüstungsindustrie so hochzufahren, dass die Ukraine keinen Mangel mehr an Nachschub erleben muss. Die EU ist überfordert, das hierfür nötige Geld bereitzustellen. Die EU ist überfordert, der Ukraine eine glaubwürdige EU-Beitrittsperspektive zu eröffnen.

Darum scheint die EU überfordert, einen substanziellen Beitrag zu leisten, mit europäischen Militäreinheiten einen Waffenstillstand in der Ukraine abzusichern – unabhängig davon, welche Umrisse dieser Friedensplan einmal haben wird. Die Zeit wird nicht reichen, die EU für eine solche Aufgabe fit zu machen.

Sinnvolle Alternativen

Es gibt aber sinnvolle Alternativen. Sie sind sogar in den Verträgen der EU verankert: Einzelne EU-Staaten können vorangehen, eine verstärkte Zusammenarbeit beschliessen, um sich von lähmenden Entscheidungsprozessen innerhalb der EU zu lösen.

Die Ukraine sollte mit aller Konsequenz davon profitieren. Für die EU-Mitgliedsstaaten und damit indirekt für die EU könnte das eine neue Dynamik bringen.

Pariser Treffen als Startpunkt?

Ansätze dazu gibt es: Die nordischen und baltischen Staaten kooperieren bereits eng im Kampf gegen Sabotage-Aktionen von Russland entlang der baltischen Seewege.

Polen will politisch an Profil gewinnen und eine wichtige koordinierende Rolle in Osteuropa übernehmen und bildet damit eine Brücke zu den westeuropäischen Gründerstaaten der EU – auch in Sicherheitsfragen.

Die südeuropäischen Länder teilen gemeinsame Sicherheitsinteressen im Mittelmeerraum.

Frankreich, Deutschland, und das Ex-EU-Mitglied Grossbritannien sind allein wegen ihrer Grösse zur verstärkten Zusammenarbeit gezwungen in Sicherheitsfragen. Sie haben für eine enge Abstimmung im NATO-Verbund zu sorgen. Solche Kooperationsformen müssten gestärkt werden.

Ausschlaggebend sind die einzelnen EU-Staaten. Sie haben die Pflicht, alternative Kooperationsformen zu suchen in Europa, über die Grenzen der EU hinweg.

So könnte die EU handlungsfähiger werden. Im besten Fall markiert das heutige Treffen in Paris einen Schritt in diese Richtung.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Echo der Zeit, 17.2.25, 18 Uhr

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