- Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul gab es einen ganzen Chor an kritischen Stimmen aus dem In- und Ausland.
- In der Nacht nun wies der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jegliche internationale Kritik an der Entscheidung der Wahlkommission in scharfer Form zurück.
So Gott will, werden sich unsere Leute diesen Drohungen, dieser Sprache des Drucks, nicht beugen», sagte er in einer Fernsehansprache. Mit Blick auf die Situation im Nahen Osten fügte Erdogan hinzu, wer nichts gegen den «israelischen Terror» unternehme, dürfe auch «nichts über unseren Kampf für Rechte sagen».
Insbesondere mit den USA ging das türkische Staatsoberhaupt hart ins Gericht: «Wer versucht hat, das gewählte Staatsoberhaupt Venezuelas zu stürzen, kann nicht mit uns über Demokratie reden», sagte er unter anderem an die Adresse Washingtons.
USA fordern Akzeptanz legitimer Wahlresultate
Das US-Aussenministerium hatte die Vorgänge um die Wahl in Istanbul zuvor moniert: «Wir bitten türkische Behörden dringend, diese Wahl gesetzesgemäss auszuführen und in einer Weise, die übereinstimmt mit ihren Verpflichtungen in der OSZE, ihrem Status als Nato-Mitglied und ihrem Bestreben, Mitglied der EU zu werden», hiess es in einer Note des State Departements. Freie und faire Wahlen und die Akzeptanz legitimer Wahlresultate seien unerlässlich für jede Demokratie.
Auch andere westliche Politiker und internationale Organisationen bedauerten und beanstandeten den Entscheid zur Annullierung des Wahlergebnisses in der Metropole Istanbul.
Einwand aus Brüssel
So bezeichnete EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn die Begründung der türkischen Wahlbehörde für die Wiederholung der Wahl in Istanbul als «Farce»: «In meiner ersten gemeinsamen Stellungnahme mit der EU-Aussenbeauftragten (Federica) Mogherini haben wir die Notwendigkeit betont, dass die verantwortlichen Institutionen die Gründe für ihre derartig weitreichende Entscheidung darlegen. Das ist nicht geschehen», sagte Hahn der «Welt am Sonntag». Der Wählerwille müsse in einer Demokratie respektiert werden, betonte der EU-Kommissar.
Die Hohe Wahlkommission hatte am Montag die Bürgermeisterwahl vom 31. März in Istanbul annulliert und eine Wiederholung am 23. Juni angeordnet. Sie gab damit einem Antrag der AKP, der Partei von Präsident Erdogan, wegen angeblicher «Regelwidrigkeiten» statt.
Wahlkommission argumentierte wie AKP
In einem Schreiben an die Parteien nahm die Wahlkommission einen Kritikpunkt der AKP auf, wonach die Wahlräte teils rechtswidrig zusammengestellt worden seien.
Der Kandidat der grössten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, siegte bei der Bürgermeisterwahl knapp vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim. Das Mandat wurde Imamoglu wieder aberkannt.