Am Seeufer kräht ein Hahn. Sein Schrei verhallt hinter der Kirchturmspitze, die mitten aus dem See ragt. Das Wasser ist am Ufer orange, weiter hinten türkis-grün, dann grau. Das ist Maria Pratas Welt.
In den 1970er-Jahren wohnte sie mit ihrer Familie noch drüben neben der Kirche. Jetzt ist die Turmspitze im See die letzte Erinnerung ans Dorf Geamana. Rumäniens Diktator Ceausescu liess die tausend Menschen aus dem Dorf umsiedeln, für die Kupfermine oben in den Bergen. Er entschädigte sie nur mickrig.
Stechender Nebel
«Kommt rein», sagt Prata. Sie legt gerade Bohnen und Erbsen ein, macht alles selbst. Nur das Wasser trinkt sie nie, Wasser müssen ihr die Kinder vorbeibringen. Sie meidet den See: «Beim Baden geht die Haut kaputt.» Manchmal steige gelblicher Nebel aus dem Wasser und brenne in den Augen.
Von Maria Pratas Haus bis zum Seeufer sind es hundert Meter. Hier umspült das Wasser bereits das Fundament eines anderen Hauses. Es sind nur noch Vorhangfetzen und ein altes Telefon zu sehen, die Nachbarin ist schon weg. Weiterhin steigt das Wasser und wird bald auch ihr Haus erreichen: «In zwei Jahren, aber dann bin ich hoffentlich schon tot.» Falls nicht, wird sie zu ihrer Tochter ziehen.
Der Zeitgeist braucht Kupfer
Der Grund für Pratas Lage ist der riesige Krater oben in den Bergen. Es ist die zweitgrösste Kupfermine Europas – viel Stein, schwere Lastwagen. Sie gehört dem staatlichen rumänischen Konzern Cuprumin.
Cuprumin verdient gut, der Zeitgeist ruft nach Kupfer – für Solarzellen, Windturbinen und elektrische Autos. Auf jeden Fall will der Konzern noch mehr Kupfer abbauen und den Damm erhöhen, der den künstlichen See zusammenhält. Man will vielleicht bald noch ein Tal fluten. Cuprumin redet nicht mit den Medien, schreibt bloss: «Wir tätigen die obligatorischen Investitionen für Umweltschutz, die die rumänischen Gesetze und die europäischen Normen vorschreiben.»
Aus Rohren rund um den See fliesst etwas Milchiges – Kalk, den Curpumin in den See schüttet, der das saure Wasser aus der Mine neutralisiert. Früher funktionierte das schlecht, sodass immer wieder verschmutztes Wasser aus dem See floss und tonnenweise Fische starben. Heute aber sagen die rumänischen Behörden: alles gut.
Ein Biochemiker gegen alle
Nichts ist gut, sagt hingegen Peter Hantz, Biochemiker und Chronist rumänischer Umweltsünden. Er hat Wasserproben rund um die Kupfermine genommen. Ergebnis: Der Kalk mag das Wasser reinigen, die giftigen Metalle – Cadmium, Kupfer, Aluminium – lagern sich aber als Sedimente auf dem Boden ab. Diese werden aus dem See in die Flüsse weiter unten geschwemmt – und damit in die Nahrungskette. Die Werte liegen weit über den Normen.
Hantz schreibt SRF: «Ich habe einmal einen Test mit Wasserflöhen gemacht, als das Wasser aus dem See sehr sauer war. Die Hälfte der Flöhe starb, sogar als ich das Wasser stark verdünnte.» Menschen sterben nicht am Wasser, können aber krank werden, wenn sie über längere Zeit giftige Metalle mitessen.
Alle arbeiten für Cuprumin
Ein Brief zeigt, dass mindestens eine rumänische Behörde Hantz’ Messung bestätigt. Er zeigt auch: Das Amt wird nichts unternehmen. Es fehle das Geld, schreibt es. Vom rumänischen Staat erwartet der Biochemiker nicht viel, wie er schreibt: «Die Kontrollbehörden sind korrupt, das weiss ich von Angestellten der Mine.»
Diese Aussage lässt sich nicht überprüfen. Aber: Hier in der Gegend arbeiten fast alle für Cuprumin. Auch Pratas Enkel: «Für die Arbeit ist die Mine gut. Aber mein ganzes Leben hat sie im See versenkt.»