Wie erwartet hat die Fraktion der Republikaner im US-Repräsentantenhaus Liz Cheney aus der Fraktionsführung abgewählt. Sie ist in der Partei in Ungnade gefallen, weil sie hartnäckig Trumps Behauptung widersprach, bei den letzten Wahlen habe es Wahlbetrug gegeben und ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden.
In einer eindringlichen Rede warnte Liz Cheney die Fraktion hinter verschlossenen Türen davor, einem Anführer blind zu folgen, der die republikanische Partei, aber auch das Land, mit seinen «zersetzenden Lügen ins Verderben zu führen droht». Doch für diese Worte erhielt Cheney, die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney, am Mittwoch nur noch Buhrufe.
Partei müsse «geschlossen auftreten»
Schliesslich folgte in einer geheimen Abstimmung eine grosse Mehrheit der Abgeordneten der Argumentation von Kevin McCarthy, dem Minderheitsführer der Republikaner in der Grossen Kammer. Die Partei müssen im Hinblick auf die Zwischenwahlen im nächsten Jahr geschlossen auftreten. Deshalb müssten die Republikaner Vergangenes hinter sich lassen und konsequent nach vorne schauen, hatte dieser in den letzten Tagen verlauten lassen.
Wie McCarthy sind viele Republikaner davon überzeugt, dass sie die nächsten Wahlen verlieren werden, wenn sich die Partei von Donald Trump abwendet. Denn rund 70 Prozent der konservativen Wählerinnen und Wähler stehen noch immer hinter dem abgewählten Ex-Präsidenten. Und sie glauben dessen Lüge, ihm sei im letzten November der Wahlsieg gestohlen worden und Joe Biden sei deshalb nicht der legitime Präsident.
Einschränkungen beim Wahlrecht
Diese Lüge dient auch als Begründung für Einschränkungen beim Wahlrecht, die in vielen Bundesstaaten von Republikanern seit der letzten Wahl angestossen oder bereits in Kraft gesetzt worden sind. Der hartnäckige Widerspruch von Liz Cheney gegen Trumps behaupteten Wahlbetrug wurde für die Partei auch deshalb zunehmend zu einem Problem.
Doch die Entfernung von Cheney aus der Fraktionsführung schafft dieses Problem nicht aus der Welt. Denn die stramme Konservative, die abgesehen von der Sicherheitspolitik stets im Sinne Trumps politisiert hatte, behält ihr Abgeordnetenmandat. Zudem kündigte sie umgehend an, sie werde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit Donald Trump nie wieder ins Weisse Haus einziehen könne.
Keinen Platz für Kritik bei den Republikanern
Der Fall Liz Cheney beweist jedoch, dass es bei den Republikanern derzeit keinen Platz mehr gibt für Kritik an Donald Trump. Ausgerechnet die Partei, die ihren politischen Gegner:innen unablässig eine «cancel culture» vorwirft, versucht mit dem Rauswurf Cheneys selber eine unliebsame Stimme auszuschliessen. Doch dies ist letztlich zweitrangig.
Viel schwerwiegender ist, dass die Traditionspartei aus Angst vor Machtverlust bereit ist, sich von der Wahrheit zu verabschieden, die auf Fakten basiert. Wahrheit ist für die Republikaner offenbar nur noch das, woran eine Mehrheit ihrer Wählenden derzeit am liebsten glaubt. Mit Blick auf die Ereignisse vom 6. Januar, als Trump-Anhängerinnen und -Anhänger das Kapitol stürmten, ist das eine gefährliche Entwicklung für die älteste Demokratie der Welt.