Noch nie zuvor galten Lokalwahlen in Südafrika so sehr als ein Stimmungsbarometer wie diese. Wut und Frustration der Südafrikanerinnen und Südafrikaner mögen nicht so konzentriert sein wie im vergangenen Juli, doch sie sind überall abseits der Metropolen spürbar. In Soweto brennen Autoreifen auf einer Quartierstrasse, weil es seit Wochen keinen Strom gibt, eine Autobahn ist mit Steinen übersät, um gegen das verschmutzte Trinkwasser zu protestieren.
Missstände und Korruption
Auf lokaler Ebene leiden jene seit Jahren unter der Vernachlässigung der Infrastruktur, die eben nicht in den schmucken Häusern wohnen, sondern in den Townships. Abfall wird nicht entsorgt, die Schlaglöcher werden immer grösser, Verkehrsampeln baumeln wie Weihnachtskugeln im Wind.
«Ein Budget zur Erledigung dieser Arbeiten existiert und sie werden öffentlich ausgeschrieben», erklärt der unabhängige Kandidat Ernest Nkopane, doch dann passiert nichts. Das Geld verschwindet in undurchsichtigen Kanälen. Es ist bekannt, dass die Korruption gerade auf lokaler Ebene besonders weitverbreitet ist.»
Die Unten gegen die Oben
Nkopane ist einer von über unabhängigen 1200 Kandidaten, die keiner Partei angehören und von der Politik desillusioniert sind. Allein in Emfuleni, einem Städtchen an einer Autobahn, kämpfen 40 unabhängige Kandidatinnen gegen die Partei, die hier seit Jahrzehnten eben nicht zum Rechten schaut, dem ANC.
Allen Unabhängigen gemeinsam ist die Forderung, die Verwaltung auf lokaler Ebene zu entpolitisieren. Dieser Trend ist im ganzen Land spürbar. Betont wird die Verbindung nach Unten, also zum sogenannten Volk statt jene nach Oben, also zu den Parteispitzen. Denn jene seien oft an persönlichem Gewinn interessiert und diktierten den Vertreterinnen und Vertretern auf der Lokalebene, wem sie welche Aufträge zu welchen Schmiergeldern geben müssten.
«Diese Art von Korruption können wir uns nicht erlauben, betont Ernest Nkopane, ein umtriebiger Geschäftsmann, der sich mit dem Verkauf von Früchten, Gemüse und Versicherungspolicen durchs Leben schlägt. «Mich kennen hier alle, wenn ich meine Versprechungen nicht einhalte, dann bekomme ich das sehr schnell zu spüren.»
Wer will überhaupt an die Urne?
Die Menge, die einen Abschnitt der Autobahn mit Steinen übersäte, um gegen das schmutzige Trinkwasser zu protestieren, ist dennoch skeptisch. «Ich werde für niemanden stimmen, sie alle lügen seit Jahren, unsere Lebensbedingungen sind so schlecht wie eh und je», sagt einer der Männer. Er spricht aus, was viele denken – für die diese Lokalwahlen haben sich nur rund 60 Prozent der Stimmberechtigten registriert.
Wie sich diese tiefe Beteiligung auf das Resultat auswirken wird, ist unklar. Doch die politischen Expertinnen und Experten sind sich einig, dass der ANC sowie die beiden grossen Oppositionsparteien, die Demokratische Allianz und der EFF, zu den Verlierern gehören werden, was zu einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft führen wird.
Ob dies bei der Bekämpfung der Korruption hilft und die Situation der Mittellosen mittelfristig verbessert, ist schwierig abzuschätzen. Zu endemisch ist die Korruption. Zu verlockend ist es für viele, dass sie - wenn an der Macht, und sei es nur in einem Quartier - finanziell alles aus dieser Position herauszuquetschen.