Letzte Woche ist es im Nordosten Mexikos zu einem Massaker gekommen. 19 Personen sind laut der Voruntersuchung zuerst erschossen und dann verbrannt worden. Nach Medienberichten und Zeugenaussagen stammten sie aus Guatemala und waren auf dem Weg in die USA. Für die grausame Tat sollen kriminelle Banden verantwortlich sein, wie die Journalistin Sandra Weiss berichtet.
SRF News: Was ist nach bisherigen Erkenntnissen mit den 19 Menschen passiert?
Sandra Weiss: Man weiss noch nicht sehr viel. Es waren wohl Migranten, die in die USA wollten und die in den Händen eines Drogenkartells waren. Die Drogenkartelle handeln nicht nur mit Drogen, auch Menschenhandel ist ein Geschäftszweig von ihnen. Möglicherweise waren die Migranten Schlepper aus diesem Kartell.
Eventuell sind sie zwischen die Fronten zweier Kartelle geraten. Ganz klar ist das leider nicht.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die Migranten entführt wurden, um Schutzgelder von Verwandten zu erpressen. Manchmal werden sie auch gezwungen, für das Kartell zu arbeiten. Wie sie dann zu Tode kamen, ist noch unklar. Es gab wohl Auseinandersetzungen zwischen zwei verfeindeten Kartellen zum möglichen Todeszeitpunkt. Eventuell sind sie zwischen die Fronten geraten. Ganz klar ist das leider nicht.
Ist mit diesem Massaker eine neue Dimension erreicht?
Leider ist das keine neue Dimension. Es kommt immer wieder zu Massakern an Migranten. Die wenigsten dieser Morde schaffen es in die Schlagzeilen. Das letzte Massaker, das relativ gross war und über das international berichtet wurde, war 2010. Damals wurden 72 Menschen umgebracht. Aber seither haben sich immer wieder solche Fälle wiederholt, wenngleich nicht in diesem Ausmass.
Die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität und dem Staat sind in Mexiko sehr fliessend.
Weshalb schützt der mexikanische Staat diese Menschen nicht besser?
Leider sind oftmals mexikanische Sicherheitskräfte und auch mexikanische Behörden, vor allem die Migrationsbehörde, in diese dunklen Geschäfte verwickelt. Sie bekommen viel Schutzgeld oder werden dafür bezahlt, dass sie wegschauen oder sie sind auch direkt daran beteiligt. Die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität und dem Staat sind in Mexiko sehr, sehr fliessend.
Der Druck aus den USA, dass Mexiko die Migranten unterwegs aufhält oder stoppt, ist hoch. Je weniger die Migranten in Mexiko geschützt sind, desto grösser ist die Abschreckung, dass sie es nicht versuchen. Das ist das perverse politische Kalkül, das dahintersteckt.
97 Prozent aller Straftaten in Mexiko werden nicht geahndet.
Besteht denn eine realistische Möglichkeit, dass dieses Verbrechen je aufgeklärt wird?
Die Straffreiheit in Mexiko liegt ungefähr bei 97 Prozent. Das heisst, 97 Prozent aller Straftaten werden nicht geahndet. Das Massaker von 2010 ist bis heute nicht aufgeklärt. Es gibt ein paar Verdächtige, die im Gefängnis sitzen, aber es gibt immer noch keinen Prozess und man weiss immer noch nicht, was passiert ist. Insofern sind die Chancen sehr gering.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.