Zwei Jahre ist es her, da ernannte sich Juan Guaidó zum Interimspräsidenten von Venezuela. Doch Macht im eigenen Land hat er bis heute nicht. Einst Hoffnungsträger der Opposition, ging sein Aufruf zu Demonstrationen Anfang Januar in Caracas ins Leere. Auch ist seine Rolle innerhalb der Opposition umstritten. Sein wichtigster Gegner ist Henrique Capriles. Der sagt: Die Opposition habe gar keinen Führer, und Guaidós Strategie sei gescheitert.
Wenn zwei sich streiten
Der Streit nützt Präsident Nicolás Maduro. Er hat alles ausgesessen: Sanktionen der USA, Proteste, Hyperinflation. Ein Grund dafür, dass dies gelang: die Spaltung der Opposition.
Wer geht ans Telefon, wenn ich 0800-Präsidentenpalast wähle? Nicolás Maduro.
Deren einziger gemeinsamer Nenner ist: Maduro muss weg. Ansonsten herrscht Uneinigkeit. Etwa darüber, ob die Opposition mit Nicolás Maduro verhandeln sollte – oder nicht. Guaidó war in der Vergangenheit dagegen. Capriles führte im letzten Jahr bereits Gespräche auf eigene Faust. Beide lehnen es jedoch ab, Nicolás Maduro als Präsidenten und das im Dezember neu gewählte Parlament als Legislative anzuerkennen. Doch es gibt auch andere Positionen.
Die von Luis Eduardo Martínez zum Beispiel. Er ist Teil der Opposition – aber Abgeordneter des Parlaments, das treu zu Maduro steht. In der Opposition sehen ihn viele als Verräter, der Maduro stärkt und legitimiert. Das will Martínez nicht auf sich sitzen lassen. Man müsse realistisch sein: «Wer geht ans Telefon, wenn ich 0800 – Präsidentenpalast wähle? Nicolás Maduro. Es ist naiv, weiter darauf zu hoffen, dass ausländische Regierungen uns aus der gegenwärtigen Situation heraushelfen, dass das Militär putscht oder, dass es einen Volksaufstand gibt. Die einzige Alternative, die ich gesehen habe, war, an Wahlen teilzunehmen – so hat die Opposition wenigstens eine Stimme, die angehört wird.»
Das Ziel von Martinez: Freie, transparente Wahlen. Doch wie er die erreichen will, ist unklar. Das Parlament hat 227 Sitze, nicht einmal zwei Dutzend Abgeordnete gehören der Opposition an.
Gesprächsangebot an USA
Nicolás Maduro hat die neue US-Regierung zu Gesprächen aufgefordert: «Ich rufe die neue US-Regierung dazu auf, die bolivarianische Revolution, Kommandant Chávez und Nicolás Maduro nicht länger zu verteufeln. Es ist Zeit für ein neues Kapitel.» Wie dieses neue Kapitel aussehen könnte, liess er offen. Und, ob Juan Guaidó bei Verhandlungen willkommen wäre, ebenfalls.
Dieser wirft Maduro Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, sagte im Januar in einer Sitzung seines Parallel-Parlaments, die im Internet übertragen wurde: «Nicolás Maduro ist vor dem internationalen Gerichtshof wegen Menschenrechtsverbrechen angeklagt. Wie ein Verbrecher, wie einst Ghaddafi, Milosevic oder Saddam, das ist die Liga, in der Diktatur Maduro spielt.»
Maduros harte Hand
Maduro liess Guaidó bisher weitestgehend gewähren. Das gilt allerdings nicht für alle Oppositionspolitiker. Gilber Caro zum Beispiel: Der Abgeordnete, der Guaidó als Präsident betrachtet, wurde bereits mehrfach verhaftet. Sich Zuhause einen Kaffee machen zu können, mehrere Schritte in seiner Wohnung in Caracas von der Küche ins Wohnzimmer zu laufen – er empfindet es als grosses Glück: «Ich war neun Monate lang unter einer Treppe gefangen.» Er schlief auf dem Boden, konnte nicht aufrecht stehen. Dennoch ist Caro für Verhandlungen mit der Maduro-Regierung: «Hass bringt niemanden weiter. Wenn es menschliches Leiden lindert, bin ich dafür.»
Die USA wollen Guaidó weiter als Präsident anerkennen, haben aber gleichzeitig Signale gesendet, die auf eine neue Venezuela-Politik hindeuten: Das US-Finanzministerium hat in dieser Woche Sanktionen aufgehoben, die seit 2019 den Betrieb von Häfen und Flughäfen erschwerten. In Venezuela hoffen derweil viele auf eine weitere Lockerung der US-Sanktionen und auch auf humanitäre Hilfe. Für einen Durchbruch wären jedoch Gespräche nötig - mit Nicolás Maduro und im besten Fall mit einer Opposition, die mit einer Stimme spricht.