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Afghanistan: Einer der schlimmsten Orte für Kinder weltweit
Aus Echo der Zeit vom 24.09.2024. Bild: KEYSTONE/EPA/HEDAYATULLAH AMID
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Mangelernährung in Afghanistan «Viele Familien müssen damit leben, dass ihre Kinder sterben»

Grosse Teile der Bevölkerung Afghanistans leben in massiver Armut. Dies als Folge verschiedener Kriege in den letzten 40 Jahren und auch von Naturkatastrophen. Die Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban vor drei Jahren hat die Situation nicht einfacher gemacht. All dies hat grosse Auswirkungen auf die Kinder, welche in Afghanistan aufwachsen. Millionen von ihnen sind von akuter Mangelernährung betroffen. Unicef-Kommunikationschef Daniel Timme über die Herausforderungen vor Ort und die vielen menschlichen Schicksale.

Daniel Timme

UNO-Mitarbeiter

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Timme ist Kommunikationschef der UNO-Kinderhilfsorganisation Unicef in Kabul.

SRF News: Wie steht es um die Gesundheitsversorgung der Kinder vor Ort?

Daniel Timme: Die Ernährungslage bereitet uns aktuell besonders Sorge. Ungefähr 3 Millionen Kinder sind akut mangelernährt und davon befinden sich 850'000 in einem lebensbedrohlichen Stadium. Teilweise sind die Kinder derart mangelernährt, dass sie erst einmal therapeutische Milch bekommen müssen, um stabilisiert zu werden. Wir versuchen auch, Präventionsarbeit zu leisten. Unsere Gesundheitsmitarbeiter gehen in die Kommunen raus, in die abgelegensten Dörfer, und klären die Mütter darüber auf, wie man solche Mangelernährungserscheinungen verhindern kann. Es geht also nicht nur darum, dass nicht genug Nahrung vorhanden ist, sondern auch, dass die Kinder keine ausgewogene Nahrung bekommen.

Viele Familien müssen damit leben, dass ihre Kinder sterben, weil es nicht genug Nahrung gibt.

3 Millionen Kinder sind von akuter Mangelernährung betroffen. Wie geht man mit diesem Ausmass um?

Viele Familien müssen damit leben, dass ihre Kinder sterben, weil es nicht genug Nahrung gibt. Neben der akuten Mangelernährung beobachten wir auch das sogenannte «Stunting», also wenn Kinder bis zum zweiten Lebensjahr nicht genug und ausgewogene Ernährung erhalten, und sich so nicht richtig entwickeln können. Dieses Phänomen betrifft mehr als 50 Prozent der Kinder. Dies bedeutet auch eine negative Entwicklung für das Land insgesamt, wenn die Hälfte der Bevölkerung sich physisch und geistig aufgrund Mangelernährung nicht vollständig entwickeln kann.

Kind.
Legende: Ein Kind wird in einem Spital in Kandahar medizinisch betreut. Keystone/QUDRATULLAH RAZWAN

Inwiefern hat sich die Situation seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren verändert?

Im Moment fehlt das Geld. Dadurch, dass internationale Gelder eingefroren worden sind, dass viele internationale Geber sich zurückgezogen haben. Von den de-facto-Autoritäten hier können weniger Ausgaben getätigt werden. Das betrifft nicht nur den Gesundheitssektor, sondern auch den Bildungssektor oder die Wasserversorgung der Menschen und die Vorbereitung auf potenzielle Katastrophen. Es gibt eine grosse internationale Bereitschaft für die humanitäre Hilfe, beispielsweise nach dem Erdbeben vor zirka einem Jahr. Aber wir wollen die Menschen resilienter machen, dass sie besser mit solchen häufig vorkommenden Katastrophen fertig werden können. Und da fehlt aufgrund der politischen Lage ein wenig die Bereitschaft, diese Dinge zu fördern.

Der Bildungssektor bereitet uns ebenfalls grosse Sorgen, weil Mädchen weiterhin nicht in die Sekundarschule gehen können.

Gerade bei der Gesundheitsversorgung und der Ernährung von Kindern spielen Frauen eine wichtige Rolle. Welche Auswirkungen hat es, dass die Taliban die Rechte und den Aktionsradius von Frauen in Afghanistan einschränken?

Das ist ein grosses Problem für uns. Viele Frauen arbeiten im Gesundheitswesen, als Krankenschwestern oder als Community Health Workers. Der Bildungssektor bereitet uns ebenfalls grosse Sorgen, weil Mädchen weiterhin nicht in die Sekundarschule gehen können. 1.5 Millionen Mädchen sind davon betroffen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.


                

Echo der Zeit, 24.9.2024, 18:00 Uhr ; 

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