Ohne die Taliban geht es nicht. Mit ihnen jedoch auch nicht wirklich. Das ist, zugespitzt, das Dilemma der Vereinten Nationen. Man vernimmt es aus jeder Bemerkung von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Er sieht zum einen die Notwendigkeit, wirksamer humanitäre und Entwicklungshilfe zu leisten.
Wir sind in zentralen Fragen blockiert.
Zum anderen ist da der absolute Kompromissunwille der Taliban. Sie sind auch drei Jahre nach ihrem Putsch keineswegs milder gestimmt. Sie denken nicht daran abzurücken von der Unterdrückung und der Ausgrenzung der Frauen aus dem öffentlichen Leben. «Deshalb sind wir in zentralen Fragen blockiert», bilanziert Guterres.
Frauenrechte – erst nach der Konferenz
Als «äusserst besorgniserregend» bezeichnet auch UNO-Vizegeneralsekretärin Rosemary diCarlo die Lage. Sie ist es, die nun im katarischen Doha mit den Taliban am Verhandlungstisch sitzt – eine Premiere seit der Machtübernahme der Taliban.
Nicht mit am Tisch sitzen in Doha jedoch Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft und vor allem keine afghanischen Frauen. Über deren triste Lage und über Menschenrechte wird gar nicht geredet. Die UNO hat damit die Vorbedingungen der Radikalislamisten akzeptiert.
Ein Ersatzdialog zwischen der UNO, Regierungsvertretern und afghanischen Frauen ist erst heute Dienstag vorgesehen – am Katzentisch und dann, wenn die Bärtigen bereits wieder weg sind.
Not wird grösser – Taliban unnachgiebig
Der Grund für das Einknicken der UNO ist die humanitäre Not im Land, in dem gut 20 Millionen Menschen dringend Hilfe benötigen. «Es braucht mehr internationales, mehr UNO-Engagement», sagte deren Chefsprecher Stéphane Dujarric vor der Doha-Konferenz.
Doch um wirksam zu helfen, kommt die UNO nicht darum herum, mit den Machthabern in Kabul zu kooperieren – und sie damit international aufzuwerten. Die Hoffnung bestand darin, dass die Taliban im Gegenzug Zugeständnisse bei den Menschen- und Frauenrechten machen würden.
Bloss: Das tun sie nicht, wie Volker Türk, der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, vorige Woche in seinem Jahresbericht kritisierte.
Scharfe Kritik am Kniefall der UNO
Hin- und hergerissen sind auch jene Afghanen, welche das Taliban-Regime ablehnen. Zu ihnen gehört Naseer Ahmad Faiq, der afghanische Botschafter bei der UNO. Er wurde noch von der demokratisch gewählten Vorgängerregierung der Taliban eingesetzt.
Auch er will, dass die UNO seinem Land aus seiner mehrschichtigen Krise hilft. Er ist indes bitter enttäuscht, «dass nun in der Doha-Konferenz ein politischer Reformprozess kein Thema ist und Frauen ausgeschlossen sind».
Noch schärfer äussern sich Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International. Sie sehen einen Kniefall der UNO, weil sie am Ende die Bedingungen der Taliban akzeptiert habe, um überhaupt mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Taliban am längeren Hebel?
Die sture Haltung der Taliban dürfte sich für diese letztlich auszahlen. So funktioniert Realpolitik. Der Weg der Steinzeit-Islamisten von der Rolle der weltweit Geächteten zur schrittweisen Anerkennung scheint vorgezeichnet.
Wer in einem Staat die Macht hat, sitzt am längeren Hebel. Mögen die UNO und ihre Mitgliedstaaten damit noch so krass zentrale Prinzipien wie Gleichberechtigung und Menschenrechte verraten.