Orban, Viktor, geboren am 31. Mai 1963, ungarischer Staatsangehöriger. Gelernter Gipser. Soll Wärmedämmungen verputzen. So steht es auf der Meldebestätigung des Zürcher Amts für Arbeit für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber in der Schweiz. In Ungarn ist nur ein Viktor Orban bekannt, der an diesem Tag geboren ist: der Regierungschef.
Ein Anwalt, der von Orbans Anmeldung als Gipser in der Schweiz erfahren hat, hat Strafanzeige gegen Ungarns Regierungschef eingereicht. Er mutmasst, die Geschichte müsse etwas mit schmutzigen Finanzgeschäften zu tun haben. Die Zürcher Staatsanwaltschaft antwortet auf die Strafanzeige aus Ungarn: «Die durch den Anzeigeerstatter dargelegten Umstände sind tatsächlich seltsam, wenn nicht gar verdächtig.»
Trotzdem will sie nicht ermitteln: «Zusammenfassend sind auf jeden Fall die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht gegeben.» Es sei kein Zusammenhang zwischen Orbans Anmeldung als Gipser und irgendwelchen Finanzgeschäften ersichtlich.
Ein Beweis für zu wenig Kontrolle
Doch E-Mails eines Schweizers erklären, was Orbans Anmeldung als Gipser in der Schweiz soll: «Das habe ich gemacht. Ein Spass, um zu beweisen, dass der Schweizer Staat nicht kontrolliert, wie er muss.»
Der Mann war für Radio SRF nicht erreichbar. Bei der Gewerkschaft Unia ist man ihm aber dankbar. Bruna Campanello von der Unia-Geschäftsleitung sieht sich jedenfalls bestätigt. «Dieser Fall zeigt, dass man diese Datenbank, über die sich die Entsende-Firmen anmelden, verbessern muss, dass solche Fälle nicht mehr möglich sind.»
In der Schweiz redet man viel über Kontrollen, die verhindern, dass zu wenig verdient, wer aus der EU kommt. Selten thematisiert man jedoch die Anmeldung über die Datenbank, in der alle erfasst werden, die in der Schweiz arbeiten wollen. Dabei sagt Gewerkschafterin Campanello, sei diese Datenbank entscheidend: «Wenn die Daten nicht korrekt oder nicht prüfbar sind, dann ist die Gefahr für Missbräuche sehr hoch.»
Kantone kontrollieren nicht, wer sich anmeldet
Prüfbar sind die Angaben heute nicht, denn die kantonalen Ämter müssen nicht abchecken, wer sich da anmeldet. Beim Bund weiss man, dass das Schweizer Meldeverfahren für Arbeitskräfte aus der EU leicht missbraucht werden kann. Eine Firma, die gebüsst und gesperrt worden ist, weil sie Angestellten aus der EU zu tiefe Löhne bezahlt hat, könne sich beispielsweise unter einem anderen Namen wieder anmelden, so Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration (SEM).
Pesonenfreizügigkeit
Beim Bund weiss man auch, dass es so nicht weitergehen kann: Bis Anfang 2023 sollen alle Unternehmen eindeutig identifizierbar werden. Sie sollen zum Beispiel ihre Identifikationsnummer angeben müssen.
Für die Zeit danach, sagt Rieder vom SEM, überlege sich der Bund, das Meldeverfahren neu zu gestalten, damit es falsche Angaben noch schwerer haben. «Um das zu erreichen, können wir zum Beispiel intelligente Meldemasken einsetzen, die die Doppelprofile finden.» Wann dieses Informatikvorhaben kommt und wie viel es kostet, ist noch unklar.
Vertrauen wäre wichtig
Klar ist hingegen, dass die Gewerkschafterin gern schneller weniger Möglichkeiten für Missbrauch hätte: «Es bewegt sich etwas. Es wäre gut, wenn es noch schneller gehen würde.»
Solange jemand Viktor Orban in der Schweiz als Gipser anmelden kann, kratzt das am Vertrauen in den Schutz des Schweizer Arbeitsmarkts. Dieses Vertrauen wäre aber wichtig, damit die Politik mehrheitsfähige Lösungen finden kann – auch in Streitfragen mit der EU.