Eine Gruppe indigener Männer und Frauen rappt in der Mapuche-Sprache Mapudungun auf dem Dorfplatz von San José de Maipo. Das kleine Dorf befindet sich etwa eineinhalb Autostunden von Chiles Hauptstadt Santiago. «Hör uns zu», singen sie, «schäm dich nicht, sprich deine Sprache, öffne dein Herz».
Dann ergreift Anna Millaleo das Mikrofon: «Ich bin eine Mapuche-Frau», rappt sie. «Lerne die Sprache deiner Vorfahren, so wie meine Kinder, lerne Mapudungun.»
Nach der Aufführung erzählt uns die 43-Jährige mehr: «Ich bin Teil der Gruppe ‹Wechekeche ñi Trawün›, auf Mapudungun ‹junge Leute zusammen›. Wir machen schon seit rund 20 Jahren Musik», erklärt Millaleo.
Die Indigenen-Gruppe setzt nicht grundlos auf Rap: «Wir wollen die Mapuche-Identität mit unserer Musik stärken und unsere Traditionen und unsere politischen und kulturellen Anliegen verbreiten.»
Dafür setzt die Gruppe oft auf einen Mix von Mapudungun und Spanisch, zum Beispiel im Lied «Palín Aukatuaiñ». «Es ist Palín. Das macht uns stark. Palín! Das bereitet uns vor», rappt die Gruppe auf Spanisch. Es ist ein Lied über den Mapuche-Sport «Palín». Das Feldhockey-ähnliche Spiel diente Kriegern dafür, sich auf Kämpfe vorzubereiten.
Fast 300 Jahre lang leisteten die Mapuche erbitterten Widerstand gegen die spanische Kolonialisierung ihres Territoriums und nach der Unabhängigkeit Chiles gegen den chilenischen Nationalstaat. Anders als die meisten indigenen Völker Südamerikas waren die Mapuche dabei lange erfolgreich – bis Chiles Militär sie 1883 besiegte.
Heute hätten die Mapuche in Chile einen schweren Stand, sagt Elisa Loncón von der Universität Santiago de Chile. Die Linguistin ist selbst Mapuche. «Laut der letzten Bevölkerungsbefragung gibt es in Chile zwar noch rund zwei Millionen Mapuche», sagt Loncón, bei einer Gesamtbevölkerung von über 19 Millionen Menschen.
«Wir Mapuche haben unsere eigene Sprache, Mapudungun. Aber nur etwa zehn Prozent der Mapuche sprechen diese Sprache noch. Und es existieren viele Stufen der Zweisprachigkeit mit Spanisch, aber die meisten Mapudungun-Sprecher sind inzwischen über 50 und die Kinder wachsen oft nur noch mit Spanisch auf.» Denn die Mapuche und ihre Sprache werden vom chilenischen Staat nicht offiziell anerkannt.
Elisa Loncón versuchte das zu ändern, arbeitete zusammen mit 154 anderen vom Volk gewählten Bürgerinnen und Bürgern einen neuen Verfassungsentwurf aus, war Vorsitzende des Verfassungskonvents. Doch eine Mehrheit der Chilenen fand die neue Verfassung zu radikal und stimmte dagegen.
Rappen ums Überleben von Mapudungun
«Wir Mapuche werden in der geltenden Verfassung weiterhin nicht anerkannt. Chile ist ein einsprachiges, monokulturelles Land und hat Angst davor, indigene Völker anzuerkennen. Die konservativen Kräfte in unserem Land fürchten eine Spaltung unseres Landes», sagt Linguistin Loncón.
Auch ohne Anerkennung: Die Mapuche sind entschlossen, ihre Sprache zu erhalten. Es sei wichtig, dass Mapudungun in der Öffentlichkeit gesprochen und gehört werde, «auf dem Dorfplatz, in Santiago oder im Parlament», sagt Loncón.
Die Gruppe «Wechekeche ñi Trawün» zeigt, wie das tönen könnte: Rap ist ihr Weg, um die Mapuche-Traditionen weiterzuvermitteln – auf indigene Art, aber modern verpackt.