Auch die Golfstaaten sind von der Corona-Krise erfasst worden. Das Hauptproblem stellen für sie allerdings nicht die Erkrankungen dar, die auch die saudische Königsfamilie betreffen. Vielmehr leiden sie unter dem Absturz des Ölpreises auf zeitweise unter dreissig Dollar pro Fass.
Der Preis dürfte nicht wieder jenes Niveau erreichen, das die Erdöl exportierenden Länder brauchen, um ihren Staatshaushalt in der Balance zu halten. «Manche Staaten kalkulieren mit einem Ölpreis von fünfzig bis siebzig, andere gar mit mehr als hundert Dollar pro Fass», sagt Professor Giacomo Luciani von der Gulf Research Center Fondation in Genf.
Den Gürtel enger schnallen
Es sei sinnlos, früheren Zeiten nachzutrauern, meint Luciani, der auch am Genfer Graduate Institute lehrt. Die Ölstaaten, nicht zuletzt jene am Golf, müssten wohl Schulden machen und den Gürtel massiv enger schnallen.
Das heisst: Grossprojekte stoppen, die Zahlungen an die eigene Bevölkerung einschränken und zurückbuchstabieren bei den überrissenen Investitionen in ihre Streitkräfte. Im Fall von Saudi-Arabien dürfte die jüngste Offerte einer Waffenruhe im Jemen-Krieg stark finanzpolitisch motiviert sein. Das Königreich kann sich den andauernden und viele Milliarden verschlingenden Waffengang gegen die schiitischen Huthi-Rebellen schlicht nicht mehr leisten.
Noch zu wenig diversifiziert
Für die Golfmonarchien ist die Ölpreiskrise bedrohlich. Zwar beschwören sie seit Jahrzehnten eine Abkehr von der Abhängigkeit vom Ölexport. Sie investierten Milliarden, etwa in die Petrochemie oder – über ihre Staatsfonds – in internationale Konzerne, wo sie zu Grossaktionären wurden. So erreichten sie einiges, aber eben nicht genug, sagt der Golfstaaten-Experte Luciani.
In den Golfstaaten existiert ein ungeschriebener Sozialvertrag zwischen den Monarchen und ihren Untertanen: Wir befehlen, aber euch soll es gut gehen. Die Menschen in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Katar und in Kuwait haben zwar politisch so gut wie nichts zu sagen. Doch im Gegenzug sorgen die Herrscher für Wohlstand für alle, weshalb sie beim Volk bisher grossen Rückhalt genossen.
Weniger Geld für die Massen
Das dürfte sich nun rapide ändern, erwartet Professor Luciani. Denn wenn nun etwa das saudische Finanzministerium Budgetkürzungen um bis zu dreissig Prozent anordnet, fliesst erheblich weniger Geld. Wegen des tiefen Ölpreises können die Könige und Emire also ihren Teil des Vertrags mit ihrem Volk nicht mehr einhalten.
Dort wird der Unmut rasch wachsen. Allerdings kennen die Golfmonarchien keine Tradition grosser und wirkungsvoller politischer Proteste. Es gibt keine organisierte Opposition, mit Ausnahme im Königreich Bahrain.
Revolution trotzdem unwahrscheinlich
Und wenn sich Widerstand regt, dürften die Regime mit Repression die Stabilität ihrer Feudalmonarchien verteidigen. Die Golfstaaten verfügten über mächtige Sicherheitsapparate. Sie seien zudem dank des umfassenden Einsatzes technologischer Mittel zu Überwachungsstaaten geworden, sagt Luciani.
Eine Revolution von unten sei deshalb wenig wahrscheinlich, selbst wenn sich die Herrscher das Wohlwollen der Bürger künftig nicht mehr erkaufen könnten. Wahrscheinlicher seien Spannungen innerhalb der regierenden Familien, also familieninterne Putsche.