Dänemark im September: Die Pandemie sei unter Kontrolle, keine Massnahmen seien mehr nötig. Zwei Monate später rudert die dänische Regierung zurück. Corona-Beschränkungen werden wieder eingeführt und es braucht ein Zertifikat für gewisse Aktivitäten.
Grund sind die steigenden Fallzahlen. «Die Zahlen sind in die Höhe geschnellt und jetzt konnte die Regierung nicht anders handeln, als sie es getan hat», sagt Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann.
Dänemark galt als Vorbild bezüglich der Impfquote. Doch die 75 Prozent reichen anscheinend nicht. «Ein Punkt bei den Corona-Impfungen ist, dass man das Virus unter Umständen trotzdem weitergeben kann», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
Die Impfungen vermitteln keine sterile Immunität, wie es beispielsweise ein Masernimpfstoff tut. Diese sterile Immunität sorge dafür, dass Geimpfte nicht nur nicht mehr schwer krank werden, sondern sich nicht mehr oder fast nie infizieren. «Bei Corona reduziert die Impfung das Risiko von Infektion und Weitergabe des Virus, aber nicht auf null.»
Zu wenige Geimpfte und Genesene
Die Impfungen bremsen die Pandemie zu wenig. «Wenn die Corona-Impfungen dafür sorgen würden, dass sich Geimpfte nicht mehr anstecken können, hätte eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent eine stärkere Bremswirkung. Weil sich Geimpfte aber anstecken können und das Virus weitergeben, wird diese Bremswirkung schwächer», erklärt Katrin Zöfel.
Zöfel beschreibt die Impfungen als eine Art Barriere, welche die Ungeschützten auch mit schützt. «Im Fall von Corona ist diese Barriere auch da, aber sie ist ein bisschen löchrig.» Die Zahl der Ungeschützten werde entscheiden, wie die nächsten Monate verlaufen.
Die Gretchenfrage ist: Wie viel Ungeschützte sind noch da und wie schnell stecken sie sich an? Wären es viele und ginge es schnell, würde man das spüren. Und auch bei einer Impfquote von 75 Prozent wie in Dänemark wären die Spitäler eventuell schnell wieder überlastet.
Zöfel würde den Versuch Dänemarks, die Pandemie für beendet zu erklären, dennoch nicht als gescheitert bezeichnen. «Sie haben es versucht. Die Verantwortlichen haben von Anfang an gesagt: Wenn die Zahlen wieder hochgehen, werde man wieder Restriktionen einführen müssen.»
Was heisst das für die Schweiz?
Hier gilt laut Katrin Zöfel das Gleiche wie in Dänemark: «Die Zahl der Ungeschützten und ihr Ansteckungsrisiko sind entscheidend.» Laut aktueller Schätzung des BAG seien etwa eine Million Erwachsene ungeschützt. «Das kann, wenn sich alle infizieren, noch einmal Tausende Menschen in die Spitäler bringen.»
Doch in der Schweiz seien die Beschränkungen strenger als in Dänemark, auch nach Wiedereinführung des «Green Pass». «In der Schweiz wird das Virus stärker gebremst. Wie stark diese Bremswirkung ist, wird man sehen», so Zöfel.
Training für das Immunsystem
Man hört vermehrt von Impfdurchbrüchen und nachlassender Wirkung der Impfung. Aber Geimpfte, die sich mit wenig Symptomen mit Corona infizieren, bekämen dadurch einen natürlichen Booster. «Auf eine Art ist es auch gut, dass das Virus zirkuliert», sagt Zöfel. «Das Immunsystem wird immer weiter trainiert unter den Geimpften, ohne dass es häufig schwere Folgen hätte.»
Auf eine Art ist es auch gut, dass das Virus zirkuliert.
Zudem gebe es einige Impfungen, bei denen es drei Dosen brauche, bis der Immunschutz dauerhaft gut bleibe. Corona wäre also keine Ausnahme. «Man kann hoffen, dass ein Booster reicht, um den Immunschutz dauerhaft stabil zu halten.»