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Kritische Journalisten auf der schwarzen Liste
Aus Echo der Zeit vom 04.05.2018. Bild: Reuters
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Medienschelte in Ungarn Wie das System Orban Journalisten unter Druck setzt

Eine Orban-treue Zeitung wettert gegen Auslandkorrespondenten. Auch Meret Baumann von der NZZ ist auf der «Anklagebank». Sie fordert, den Blick auf die kritischen Stimmen im Land zu lenken.

Die Auslandberichterstattung der «Neuen Zürcher Zeitung» geniesst im deutschsprachigen Raum viel Prestige. Auch hierzulande steht das Traditionsblatt nicht eben unter Verdacht, unseriöse Berichterstattung zu betreiben oder gar Lügen zu verbreiten.

In Ungarn sieht man das offenbar anders. Zumindest, wenn man die Schwarze Liste der Zeitung «Magyar Idök» zum Massstab nimmt. Denn auf der Liste figuriert auch die NZZ-Korrespondentin Meret Baumann, die für Österreich und Ostmitteleuropa zuständig ist.

Daneben trifft der Bannstrahl des regierungsnahen Blatts etwa auch die Korrespondenten des «Tages-Anzeigers», «Spiegel Online», des österreichischen «Standard» oder der französischen «Libération».

Orban spricht vor Journalisten, 8. April 2018 in Budapest.
Legende: Schwarze Listen wurden von Orban-treuen Medien schon in der Vergangenheit erstellt; sie versammeln neben Journalisten auch missliebige Intellektuelle oder Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen. Keystone

Die Zeitung fährt schweres Geschütz gegen die unliebsamen Journalisten auf: Gewisse Auslandkorrespondenten würden «die widerwärtigsten Lügen der ultraliberalen Opposition ungefiltert an ein Millionenpublikum weitergeben.» Die ungarische Regierung müsse etwas dagegen unternehmen.

Baumanns Reaktion auf Twitter

Im Gespräch mit SRF News reagiert NZZ-Korrespondentin Meret Baumann recht unaufgeregt auf die «eher willkürlich zusammengestellte Liste»: «Natürlich wurden Journalisten ausgewählt, die kritisch berichtet haben. Aber da wären noch andere zu nennen.»

Viktor Orban funktioniert nur im Konfliktmodus, er braucht einen Gegner, den er bekämpfen kann. Das macht auch seinen Erfolg aus.
Autor: Meret Baumann Korrespondentin der NZZ für Österreich und Ostmitteleuropa

Für ihre tägliche Arbeit erwartet Baumann keine gravierenden Konsequenzen – denn die findet schon jetzt unter erschwerten Bedingungen statt. So würden Mitglieder der Regierungspartei Fidesz ohnehin nur selten und wenn mit ausgewählten Medien sprechen: «Im Vorfeld der Parlamentswahl vom April hatten wir Termine mit Spitzenvertretern aller Oppositionsparteien, konnten aber mit niemandem vom Fidesz zu sprechen.»

FPÖ erzürnt über Ungarn-Berichterstattung

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Am Anfang der Medienschelte in Ungarn standen Turbulenzen im benachbarten Österreich. Dort wehrt sich die rechtspopulistische FPÖ schon seit geraumer Zeit gegen eine vermeintlich voreingenommene Berichterstattung im ORF. Bislang ging es aber um die Darstellung der eigenen Partei und ihrer Exponenten auf dem Sender.

Nun drohte Norbert Steger, Stiftungsrat der FPÖ im öffentlich-rechtlichen ORF, dem Korrespondenten des Senders wegen «einseitiger Berichterstattung» über die Wahlen in Ungarn mit der Entlassung. Will heissen: Ernst Gelegs berichtete zu Orban-kritisch – selbstredend findet sich auch sein Name auf der «Schwarzen Liste». Der Generaldirektor des ORF verlängerte den Vertrag mit seinem Korrespondenten demonstrativ bis 2021.

Die Schwarze Liste schlage international hohe Wellen, weil Korrespondenten namentlich angegriffen würden, berichtet Baumann. Die langjährige Auslandredaktorin der NZZ würde sich aber wünschen, «dass meine ungarischen Kollegen dieselbe Aufmerksamkeit bekommen würden. Sie arbeiten schon viel länger mit schwierigen Bedingungen.»

Kommt hinzu: Heimische Journalisten, aber auch NGO-Vertreter erlebten teils wüste Beschimpfungen in den sozialen Medien und würden offen bedroht, sobald sie an den Pranger gestellt werden.

Bedrohte Medienlandschaft in Ungarn

In ihrem jüngsten Bericht zur weltweiten Pressefreiheit setzte «Reporter ohne Grenzen» Ungarn auf Platz 73 von 180 Ländern, zwei Ränge weiter unten als zuletzt. Wie in der Slowakei und Tschechien würden politische Führungsfiguren gezielt ein «feindseliges Klima» für Journalisten schaffen; im Falle von Ungarn etwa sei der im Land selbst geborene US-Milliardär George Soros zum «Staatsfeind Nummer 1» erklärt worden. Soros unterstützt unabhängige Medien und NGO im Land.

Baumanns Eindrücke bestätigen den Befund. Sie nennt das Beispiel der regierungsnahen Zeitschrift «Figyelo»: Erst vor wenigen Wochen habe sie 200 Leute, darunter diverse Journalisten, gelistet und sie als «Soros-Söldner» bezeichnet. Auch andere ähnlich gelagerte Vorfälle habe es gegeben.

Kritische Stimmen zunehmend unerwünscht

Baumann berichtet, wie am Tag nach der Wahl vom 8. April die bürgerliche Traditionszeitung «Magyar Nemzet» eingestellt wurde: «2016 wurde bereits das ehemalige kommunistische Parteiblatt eingestellt, die auflagenstärkste Zeitung im Land.» Für unabhängige, regierungskritische Journalisten würde es zunehmend schwierig, überhaupt Arbeit zu finden.

Premier Orban arbeitet ungeniert an dem feindseligen Klima mit. In einem Radio-Interview forderte er kürzlich heimische Medien auf, «Journalisten-Netzwerke» aufzudecken. Die Weisung richtet sich freilich an Journalisten, die stramm auf Fidesz-Kurs sind.

Im April konnte Orban seine Zweidrittelmehrheit im Parlament bestätigen. Wer erwartet, dass er die Zügel angesichts des Wählerzuspruchs lockern könnte, dürfte sich täuschen: «Orban funktioniert nur im Konfliktmodus, er braucht einen Gegner, den er bekämpfen kann. Das macht auch seinen Erfolg aus», schliesst Baumann.

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