Der neuste Fall: In Nigeria sind mehr als 20 schwangere Frauen und zwei Säuglinge aus einer sogenannten Babyfabrik gerettet worden. Es handelt sich dabei um eine illegale Einrichtung zur Zeugung und zum Verkauf von Kindern. Laut den Behörden sollten die Kinder den Kriminellen zum Weiterverkauf für rituelle Zwecke sowie für Kinderschmuggel dienen. Das Militär durchsuchte nach einem Hinweis das Etablissement im Südosten des Landes und befreite die Frauen. Die Besitzerin der Einrichtung konnte fliehen.
Das kriminelle System: Sogenannte Babyfabriken fliegen in Nigeria immer wieder auf. Sie sind oft als wohltätige Anlaufstellen für arme junge Frauen getarnt. Hilfesuchende werden dort gegen ihren Willen festgehalten und vergewaltigt. Opfer sind häufig auch ungewollt schwangere Jugendliche, die von zu Hause weglaufen und denen Unterkunft versprochen wird.
Das Schicksal der Neugeborenen: Einige der Kinder würden an wohlhabende Familien verkauft, sagt die Journalistin Katrin Gänsler. Sie hat lange in Nigeria gelebt und berichtet für mehrere Medien aus Westafrika. Diese reichen Familien kauften die Kinder entweder, weil sie selbst kinderlos sind oder weil sie bereits mehrere Söhne oder Töchter hätten und sich noch ein Kind des anderen Geschlechts wünschten. «Kinderlosigkeit ist vielerorts ein Stigma», sagt sie. Es gebe aber auch Vermutungen und Gerüchte, dass die Babys aus den Babyfabriken für Ritualmorde benutzt würden. «Diese Gerüchte kommen auch von Kirchen im Land. Sie behaupten, dass Menschen in Zeremonien geopfert werden. Diese Informationen sind wenig zuverlässig.» Das sei kaum zu überprüfen. Verlässliche Berichte über derartige Verbrechen liegen nicht vor.
Die Dunkelziffer: «Wie viele Frauen und Kinder in Nigeria von diesen kriminellen Systemen betroffen sind, ist völlig unklar», sagt Gänsler. Sie sagt, dass jedes Jahr ein bis zwei solcher Babyfabriken in Nigeria auffliegen. «Doch die Dunkelziffer ist wohl sehr hoch», so Gänsler.
Die Täter: Über die Hinterleute der Babyfabriken gibt es im Allgemeinen nur wenige gesicherte Informationen. «Vieles sind Gerüchte», so Gänsler. Es gebe wohl Fälle, in denen kriminelle Strukturen dahinter stehen, in anderen Fällen seien es wohl Einzeltäterinnen oder -täter.
Die Gründe: Begünstigt werden die kriminellen Menschenhandelssysteme von der Perspektivlosigkeit im Land. «Nigeria wächst jedes Jahr um mehrere Millionen Menschen, doch die Infrastruktur bleibt die gleiche», sagt Gänsler. Damit drängen auch jedes Jahr Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt, doch Jobs gebe es für sie kaum. «Deshalb gibt es eine grosse Suche nach Überlebensmöglichkeiten.» Egal, wie fleissig man ist in Nigeria – es ist fast unmöglich, etwas zu erreichen, wenn man nicht aus einem entsprechenden Elternhaus stammt.
Nigeria wächst jedes Jahr um mehrere Millionen Menschen, doch die Infrastruktur bleibt die gleiche.
Der schwache Staat: Neben der Perspektivlosigkeit ortet die Journalistin in schwachen Behörden, parteiischer Justiz und korrupter Polizei Gründe für die kriminellen Machenschaften in Nigeria. «Viele Fälle von sexueller Gewalt und Vergewaltigung werden beispielsweise gar nicht angezeigt, weil die Polizei die Fälle sowieso nicht weiterverfolgt oder ermittelt», sagt Gänsler. Ausserdem seien solche Fälle mit grosser Scham behaftet, was viele Opfer ebenfalls davon abhalte, Hilfe bei den oftmals sowieso korrupten Behörden zu suchen.
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