Eher selten rücken westliche Länder ins Visier des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte. Doch im Fall Ungarn passiert das neuerdings häufiger.
Einmal ist UNO-Hochkommissarin Michelle Bachelet besorgt über den Umgang mit Migrantinnen und Migranten, ein anderes Mal kritisiert sie, wie schwierig es sei, in Ungarn ein Asylgesuch zu stellen. Und in einem Fall hiess es gar, Ungarn habe internierten Zuwanderern tagelang das Essen verweigert.
Lang ist auch die Mängelliste im UNO-Bericht zur diesjährigen Überprüfung der Menschenrechtslage in Ungarn, der dritten nach 2011 und 2016, der das Land unterzogen wird.
Mehr Rück- als Fortschritte
Im Kern geht es stets um die fehlende Unabhängigkeit der Justiz, um Korruption, um die Behandlung von Flüchtlingen und Migranten, um Benachteiligungen wegen der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtszugehörigkeit oder um die Medienfreiheit.
Was auch auffällt: Seit den beiden früheren Prüfungen gab es erheblich mehr Rück- als Fortschritte. Je länger Viktor Orban in Budapest regiert, umso autoritärer agiert er und umso weniger respektiert er die Rechtsstaatlichkeit. Die UNO äussert sich besorgt und einmal gar alarmiert.
Kritische Anregungen der Schweiz
Das schlug sich nieder in den Fragen und Empfehlungen zahlreicher Regierungen und NGO. So forderte Schweden Ungarn auf, die Unabhängigkeit der Medien zu respektieren. Die USA rügten die Politisierung des Justizsystems, Grossbritannien die Haltung gegenüber Schwulen, Lesben und Transgender-Menschen.
Auch Jürg Lauber, Schweizer Botschafter bei der UNO in Genf, wies kritisch auf diesen Punkt hin. Er empfahl Ungarn zudem breite Konsultationen vor Gesetzesänderungen, auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. Und er legte der Regierung Orban nahe, die Vereinigungs- und Meinungsäusserungsfreiheit zu schützen.
Keine Konzessionen von Ungarn
Wie weit die Positionen der UNO und Ungarns auseinanderliegen, zeigte sich beim Auftritt von Aussenminister Peter Szijjarto: Er machte überdeutlich, dass eine ungarische Familie aus einem Vater (männlich), einer Mutter (weiblich) und Kindern besteht. Es gebe anderswo andere Ansätze, doch die akzeptiere sein Land nicht.
Die Migration bezeichnete Szijjarto als gefährliches Phänomen – für die Kultur, die Sicherheit und neuerdings, wegen Corona, auch für die Gesundheit. Ungarn wolle keinesfalls zu einem Staat der Migranten werden. «Wir allein bestimmen, mit wem wir zusammenleben wollen», betonte er. Auf den Vorwurf der Gängelung der Medien erwiderte er salopp: Viele störe doch einfach, dass in Ungarn nicht länger liberale, sondern konservative Medien den Ton angäben.
Und die «Wertegemeinschaft»?
Auch Ungarn unter Orban ist gewiss nicht Nordkorea, Iran, Syrien oder Saudi-Arabien. Doch für ein Land, das der Europäischen Union angehört und sich nach eigenem Bekunden der freiheitlich-demokratischen Wertegemeinschaft zugehörig fühlt, sind die Noten im UNO-Menschenrechtsrat bemerkenswert schlecht. Ein Signal, dass man in Budapest etwas ändern möchte, sandte der ungarische Aussenminister nicht aus. Er gelobte keineswegs Besserung, sondern unterstrich: Wir machen weiter so.