Die Aussenminister der Europäischen Union werfen Moskau eine Mitschuld am Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuge MH17 bei Donezk vor. Die Beratungen in Brüssel über weitere Sanktionen gegen Russland sind jedoch noch nicht allzu weit fortgeschritten. Ein förmlicher Beschluss über neue EU-Sanktionen gilt als unwahrscheinlich.
Handeln von Russland genügt der EU nicht
Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton rechnet nicht mit neuen Sanktionsbeschlüssen, wie sie sagte. Es gehe zunächst darum, den EU-Botschaftern weitere Anweisungen für die ohnehin schon am 16. Juli grundsätzlich beschlossene Ausweitung der Sanktionen zu geben.
Ashton appellierte gleichzeitig an Russland, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen. «Wir fordern Russland auf, zu tun, was es tun kann. Und es kann und muss sicher mehr tun», sagte Ashton.
Unglück aufgrund russischer Waffenlieferungen?
Russische Unternehmen und andere Finanziers der prorussischen Separatisten sollen noch vor Monatsende auf eine schwarze Liste der EU gesetzt werden. Sie ist in Arbeit, aber noch nicht fertig, sagten Diplomaten.
Wenn man Waffen und Raketen so liefert wie die Russen das getan haben, dann muss so etwas einfach passieren.
Die EU wirft Russland vor allem vor, die Grenzen zur Ukraine nicht für Waffen und Kämpfer geschlossen zu haben. «Russland hat in den vergangenen Monaten jede selbst eingegangene Verpflichtung verletzt», sagte etwa Schwedens Aussenminister Carl Bildt. Seit Ende Juni habe der Transfer von schweren Waffen, Panzern, Raketen und Kämpfern aus Russland in die Ostukraine deutlich zugenommen.
«Wenn man Waffen und Raketen so liefert wie die Russen das getan haben, dann muss so etwas einfach passieren», so Bildt. Und weiter: «Ich denke, wir hätten schon vor langer Zeit ein Waffenembargo gegen Russland beschliessen sollen.»
«Wir sollten nicht vergessen, dass dieses schreckliche Unglück vor allem wegen der russischen Unterstützung für die Separatisten in der Ukraine passiert ist, wegen der Lieferungen schwerer Waffen aus Russland in die Ostukraine», sagte auch der britische Aussenminister Philip Hammond.
Niederlande wollen klare Haltung
Die Niederlande waren bislang gegenüber Sanktionen gegen Russland zurückhaltend. Nun aber erklärte Aussenminister Frans Timmermans: «Wir wollen dass die EU einmütig und kräftig deutlich Stellung bezieht – zur Krise in der Ostukraine und zu der Tatsache, dass Russland echt zu wenig unternimmt, um sich von den Separatisten zu distanzieren.»
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier hielt fest, die EU sei bereit, mit allen diplomatischen Mitteln zu einer Entschärfung der Krise beizutragen. «Aber es wird notwendig sein, diese Bereitschaft zu begleiten durch höheren Druck, das heisst auch in schärfere Massnahmen einzutreten.»
Dennoch zögert auch Deutschland mit einer Verschärfung der Sanktionen. Grund dafür sind nicht nur die Gaslieferungen und Exportbeziehungen, die nicht tangiert werden sollen. SRF-Korrespondent Adrian Arnold in der Sendung «10vor10» erklärt: «Angela Merkel befürchtet mit scharfen Sanktionen den definitiven Bruch mit Russland, den Rückfall in alte Zeiten – in Zeiten des Kalten Krieges.»
Putin sendet Kooperationssignale
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates in Moskau, Russland versuche auf die Separatisten einzuwirken, damit diese eine vollständige Aufklärung ermöglichen.
Zugleich verbat sich Putin nachdrücklich eine Einmischung des Westens in innerrussische Angelegenheiten. Und: Trotz Sanktionsdrohungen aus dem Westen werde Russland den Separatisten bei ihrem Volksaufstand in der Ostukraine beistehen, sagte der Putin.
Drei mögliche Szenarien zur Auswahl
Was also soll die Europäische Union tun – nichts? Das von Ashton für heute verkündete Abwarten dürfte nicht von Dauer sein.
Weitere Sanktionen gegen ganze russische Wirtschaftszweige zu verhängen, wird allerdings auch nicht so ohne weiteres funktionieren. Gegen diese zweite Option spricht, dass in der EU bisher die Staats- und Regierungschefs für solch grundsätzliche Entscheide zuständig waren, nicht die Aussenminister. Zudem ist im Drama um die abgestürzte MH17-Maschine der Malaysia Airlines bisher relativ wenig wirklich bewiesen.
Eine dritte Option wäre, dass die EU zunächst gewisse Bedingungen formulieren würde. Beispielsweise jene, dass die Rebellen und Russland bei der Untersuchung der Absturzursache kooperieren müssten. Oder auch, dass Russland die Rebellen nicht mehr weiter militärisch unterstütze. Erst bei Nichterfüllen dieser Bedingungen würde die EU weitere Sanktionen beschliessen.