Im Sommer hat die Republikanerin Mayra Flores für Aufsehen gesorgt. Bei einer Ersatzwahl in einem Distrikt im Süden von Texas hat sie überraschend den Sitz geholt. Dieser texanische 34. Distrikt an der Grenze zu Mexiko wählte seit Jahrzehnten für die Demokraten. Ihr Erfolgsgeheimnis: konservative christliche Werte.
Eine Wahlveranstaltung im texanischen Weslaco an der Grenze zu Mexiko ist eine Mischung zwischen religiösem und politischem Anlass. Sie findet in einer Kirche in Weslaco statt und ist von der konservativen Bewegung Texas Youth Summit organisiert.
Gekommen sind nicht nur Jugendliche, sondern ein paar Hundert Frauen und Männer jeglichen Alters. Die allermeisten mit mexikanischen Wurzeln. Der Gründer der Bewegung, Christian Collins, macht schnell klar, für welche Werte seine Bewegung steht. «Wir müssen die Kirchen in den Wahlkampf einbringen», sagt er, «und an unseren Erfolg glauben». Auch wenn es Zeit brauche: «Wir haben es gesehen beim Abtreibungsverbot. Es dauerte Jahrzehnte, bis der Supreme Court mit dem Urteil im Fall Roe v. Wade ein totales Verbot wieder ermöglichte.» Jubel bricht aus.
Demokraten zu progressiv
Und dann betritt die sehnlichst erwartete republikanische Kongressabgeordnete Mayra Flores die Bühne. Sie sei der beste Beweis, dass mit Gott alles möglich sei, wird sie angekündigt. Mayra Flores hat im üblicherweise demokratisch wählenden Süden von Texas den Sitz für die Republikaner geholt. Sie weiss, dass viele Anwesende traditionell die Demokraten wählen. Für sie sei wichtig, loyal zu Gott zu sein und nicht zu einer Partei.
Im Gespräch erklärt Mayra Flores anschliessend, dass die Bevölkerung im Süden von Texas konservativ eingestellt sei und Gott, Familie und hartes Arbeiten ihre Wertvorstellungen prägten. «Davon hat die demokratische Partei lange profitiert».
Mayra Flores ist in Mexiko geboren und im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern in die USA ausgewandert. Auch ihr Vater habe stets Demokraten gewählt und zunächst Mühe damit gehabt, dass sie für die republikanische Partei antrete. «Nun versteht er es, weil die demokratische Partei seine Werte nicht mehr vertritt.»
Gegen illegale Immigration
Auf die Frage, was sie zum republikanischen Gouverneur von Texas, Greg Abott, sage, der mexikanische und andere lateinamerikanische Immigranten in Bussen in die Hauptstadt Washington schickte, antwortet Mayra Flores, dass sie nichts gegen die legale Immigration habe. «Aber der Süden von Texas kann all die illegal Einwandernden einfach nicht mehr aufnehmen.»
Mayra Flores spricht den Anwesenden aus dem Herzen. Zum Beispiel Viola und Tomas Treviño. Beide sind vor vielen Jahren aus Mexiko eingewandert. Sind streng katholisch erzogen worden. Tomas sagt, diese Wertvorstellungen würden die Demokraten nicht mehr vertreten. «Ich glaube an die Ehe zwischen Mann und Frau; Leben ist für mich heilig.»
Seine Frau Viola ergänzt, dass sie eine Veränderung wolle. Die amtierende Regierung stelle nicht Gott, die Familie und die Gemeinschaft ins Zentrum.
Es wird nicht einfach für Mayra Flores, ihren Sitz im Repräsentantenhaus zu verteidigen. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus mit dem demokratischen Kandidaten, was noch vor ein paar Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Doch im Saal sind alle überzeugt, Gott wird es richten.
Öffentliche Sicherheit ausschlaggebend
Nicht nur aus religiösen Gründen wenden sich in Latinos und Latinas von den Demokraten ab, sondern auch, weil sie sich mit Themen wie öffentliche Sicherheit und Kriminalität angesprochen fühlen.
Die Demokraten haben es verscherzt.
Gut 500 Kilometer nördlich sitzt Cleo Petricek in ihrem Büro und sagt, sie habe stets Demokraten gewählt, doch nun sei sie von ihnen bitter enttäuscht. Cleo Petricek ist als Cleopatra Luna in ärmsten Verhältnissen in Dallas aufgewachsen, wie sie erzählt, als Tochter mexikanischer Einwanderer. Als Latina achte sie genau darauf, welche Politikerinnen und Politiker ihrer Bevölkerungsgruppe helfen würden oder schadeten. Die 36-jährige Mutter lebt inzwischen mit ihrem Mann in Austin, einer demokratisch regierten Stadt im republikanischen Bundesstaat Texas.
«Die Demokraten haben es verscherzt», sagt sie. Angefangen habe es vor drei Jahren, als die Stadtregierung das Zeltverbot für Obdachlose aufhob. «Daraufhin nahmen diese Parks und öffentliche Plätze ein – besonders in benachteiligten Quartieren, wo viele Latinos und Latinas leben.» Als dann auch noch ein Obdachlosenheim ausgerechnet neben einer Schule geplant wurde, sei es ihr zu viel geworden. Diese Politik sei grausam und ungerecht.
Cleo Petricek gründete die Bürgerbewegung «Save Austin now». Sie setzt sich dafür ein, ihre Stadt zu retten. Dazu gehörten auch wieder mehr Respekt und mehr finanzielle Unterstützung für die Polizei, sagt Cleo Petricek. Es mache sie rasend, dass die demokratische Stadtregierung so versage.
Verzwickte Situation für moderate Wählerinnen
Cleo Petricek spricht engagiert und emotional und tönt, wie wenn sie mitten im Wahlkampf für die Republikaner wäre. Doch: In der Abtreibungsfrage vertrete sie klar die Haltung der Demokraten. «Ich bin dafür, dass jede Frau selbst entscheiden darf, und gegen ein Abtreibungsverbot.» Das sei eine verzwickte Situation.
Wir sind gegen ein Abtreibungsverbot, aber auch für sicheren Zugang zu Schulen.
In einem Wahlkampf, in dem Demokraten und Republikaner auf so unterschiedliche Themen setzen, muss eine moderate Wählerin wie Cleo Petricek entscheiden, welche Themen sie priorisiert. Sie ist damit nicht allein. Das zeigen Umfragen, aber auch ihre persönlichen Erfahrungen: «In meinem mehrheitlich demokratisch wählenden Freundeskreis sind wir gleichzeitig gegen ein Abtreibungsverbot, aber auch für sicheren Zugang zu Schulen und Parks in unserer Stadt.»
Die Entscheidung scheint längst gefallen zu sein. Sie wird ihre Stimme dem republikanischen Gouverneur Greg Abbott geben, obwohl sie als freiwillige Wahlhelferin einst den Gegenkandidat Beto O'Rourke unterstützt hat. Ins Mikrofon sagt Cleo Petricek diplomatisch, sie habe noch nicht entschieden. Für ein Foto posiert Cleo Petricek dann aber vor einem Stapel Plakate, auf denen steht «Abbot Governor» und vor einem Poster: «We love Austin Police».
Frauen wie Cleo Petricek könnten bei den Midterms eine wichtige Rolle spielen und den Demokraten in urbanen Gebieten entscheidende Stimmen kosten.