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Migrantenfrage in Italien Streit zwischen Regierung Meloni und Richtern spitzt sich zu

Bei der Abschiebung nach Albanien herrscht Uneinigkeit. Jetzt macht die Regierung Druck auf Richter – und könnte damit dem Staat Schaden zufügen.

Zwischen Afrika und Sizilien ist das Meer derzeit ruhig. Gutes Wetter also für Schleuser und Migranten, um die Überfahrt nach Italien zu wagen.

Deshalb startet die Regierung von Giorgia Meloni einen neuen Versuch, jene Migranten, die kaum Chancen auf Asyl haben, im Express-Verfahren über Albanien in ihre Heimatländer zurückzuschaffen. Es geht vor allem um Männer aus Ägypten, Bangladesch oder Tunesien.

Richter verhindern Abschiebung

Doch erneut verhindern zwei italienische Gerichte solch schnelle, pauschale Abschiebungen: Ägypten und Bangladesch seien nicht generell als sichere Herkunftsländer einzustufen, sagen sie. Die Richter stützen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Die Regierung Meloni hatte vor zwei Wochen versucht, mit einem Gesetzesdekret diese beiden Länder nebst anderen generell als «sicher» zu definieren. Doch italienische Richter sagen nun, das europäische Recht widerspreche dem und es sei italienischem Recht übergeordnet.

Daran entfacht sich jetzt ein Streit zwischen der Regierung Meloni und der italienischen Justiz, der immer gehässiger wird. Seitens der Regierung heisst es etwa, man erwarte von der Justiz, dass sie endlich kooperiere, dass Richter der Regierung in der Migrationspolitik keine Steine in den Weg legten. Lega-Chef Matteo Salvini verspottet Richter gar als Kommunisten.

Pochen auf die Gewaltenteilung

Namhafte Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler sind über solche Aussagen besorgt und verweisen darauf, dass die Justiz nicht dazu da sei, der Regierung zuzudienen, sondern geltendes Recht anzuwenden. Sie pochen auf die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit. Die Töne sind schrill und die Regierung drängt auf eine schnelle Lösung.

Dabei hätte Italien eigentlich genügend Zeit. Denn in diesem Jahr gingen die Fluchtzahlen deutlich zurück: Die EU und Italien zahlten Tunesien und Libyen viel Geld, mit dem sie die dortigen Machthaber davon überzeugten, viele Fluchtwillige zurückzuhalten.

Diese Verschnaufpause sollte Italien dazu nutzen, offene rechtliche Fragen bei der Abschiebung über Albanien sorgfältig zu klären. Denn die Regierung droht mit ihrem Druck gegen die Justiz dem ganzen Staat Schaden zuzufügen.

Rendez-vous, 5.11.2024, 12:30 Uhr

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