Der Krieg in der Ukraine macht sich bei den Zahlen zum internationalen Waffenhandel bemerkbar: In den letzten fünf Jahren ist die Ukraine die grösste Waffenimporteurin der Welt geworden. Das zeigt ein Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri.
Der Bericht zeigt auch, wie stark die europäischen Nato-Staaten auf Waffen aus den USA angewiesen sind – und das in einer Zeit, in der das transatlantische Bündnis arg bröckelt. Fredy Gsteiger über Europas gefährliche Abhängigkeit von amerikanischen Rüstungsgütern.
Warum ist die Abhängigkeit von den USA ein Problem?
Bisher war es nicht falsch, eng mit den USA zusammenzuarbeiten, solange die transatlantische Partnerschaft bestens funktionierte. Denn es ist weder effizient noch sinnvoll, wenn jedes Land alle Waffensysteme selber herstellt oder auch Europa insgesamt das tut. In seiner zweiten Amtszeit scheint US-Präsident Donald Trump jedoch fest entschlossen, die Partnerschaft mit den Europäern weitgehend zu beenden, möglicherweise die Nato in ihrer bisherigen Form zu sprengen.
Nun zeigt sich, wie stark und vor allem auch wie gefährlich die Abhängigkeit geworden ist. Und zwar in vielen Bereichen, angefangen bei den Atomwaffen. Frankreich hat zwar seine weitgehend von den USA unabhängige «Force de frappe», aber bereits die britischen Atomstreitkräfte sind aufs Engste mit den USA und der US-Technologie verwoben. Starke Abhängigkeiten gibt es auch in anderen Bereichen: bei der Luftabwehr, bei der elektronischen Kriegsführung, beim Lufttransport, der Satellitenüberwachung und bei Kommunikationssystemen.
Kann sich Europa von den USA emanzipieren?
Es gibt Alternativen, allerdings keine billigen und keine einfachen. Dort, wo es primär um Know-how und Technologie geht, etwa bei der Kommunikation oder der elektronischen Kriegsführung, möglicherweise auch bei Drohnen, liessen sich Lücken bei entsprechendem politischem Willen und hohen Investitionen relativ rasch in ein paar Jahren schliessen. Bei schwerem Kriegsgerät wie Kampfflugzeugen, Luftabwehr, Flugzeugträgern dauerte es indes wohl eher Jahrzehnte, bis sich Europa von den USA wirklich emanzipieren könnte.
Auch dort, wo es um grosse Stückzahlen geht, bleibt es eine Herausforderung – so etwa bei der Rüstungsproduktion und Munitionsherstellung. Diktaturen wie Russland können eine Umstellung auf Kriegswirtschaft einfach von oben verordnen. Europäische Rüstungshersteller sind nur bereit zu grossen Investitionen in neue Waffen und neue Produktionsstrassen, wenn sie langfristige Absatzgarantien bekommen.
Wie stark ist die Schweiz abhängig von den USA?
Die Schweiz hat ihre neuen Kampfflugzeuge – die F-35 – in den USA bestellt. Rüstungsgüter, gerade auch Kampfflugzeuge, sind heute hochkomplexe Systeme. Es reicht nicht, sie einfach zu kaufen, und dann erfüllen sie jahrelang ihren Zweck. Der Schlüssel zu ganz vielen Funktionen bleibt oft beim Hersteller. Den geben die USA nicht einfach aus der Hand.
Kriegsgerät wie Kampfjets werden nicht nur für ein paar Jahre gekauft, sondern für Jahrzehnte. Es braucht also permanent Updates und Weiterentwicklungen. Auch da bleibt der Kunde, also etwa die Schweiz, auf die Kooperation mit dem Hersteller und dem Herstellerland angewiesen. Würden also konkret die USA die Zusammenarbeit beim F-35 mit der Schweiz kündigen, wären diese teuren Flugzeuge sehr rasch nur noch von beschränktem Nutzen.