Darum geht es: Viele Krisen finden praktisch unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit statt. Und neun von zehn der am meisten vernachlässigten Krisen und Konflikte ereignen sich aktuell auf dem afrikanischen Kontinent. Zu diesem Schluss kommt die NGO «Norwegian Refugee Council» (NRC) in ihrem Jahresbericht . Bis auf eine Ausnahme (Honduras) liegen alle der zehn Flucht- und Vertreibungskrisen in West- und Zentralafrika – oder in einem angrenzenden Staat.
Das sind die Probleme: In den meisten der zehn Länder war der humanitäre Finanzbedarf NRC zufolge im letzten Jahr nur höchstens zur Hälfte gedeckt, oft war es sogar deutlich weniger. Allein in West- und Zentralafrika sind mehr als zwölf Millionen Menschen auf der Flucht, so die UNO. Hinzu kommen angrenzend die Konfliktstaaten Sudan und Kongo-Kinshasa, wo insgesamt zusätzliche 14 Millionen Menschen innerhalb der Länder auf der Flucht und weitere Hunderttausende in andere Nachbarstaaten geflohen sind.
Die Gründe für die Reihenfolge: Der NRC hat drei Kriterien, nach denen er die Krisen beleuchtet: Wie viel Medienaufmerksamkeit erhält der Konflikt, wie gross ist das internationale politische Engagement zur Lösung des Konflikts und wie viele Nothilfegelder fliessen zur Lösung des Konflikts. «Bei all diesen Kriterien schneiden Konflikte in Afrika schlecht ab», sagt SRF-Afrikakorrespondent Fabian Urech. Die betroffenen Länder erhalten also wenig Aufmerksamkeit, kaum Support zur Lösung des Konflikts und ausserdem zu wenig Geld für die vertriebenen Menschen.
Das wäre nötig: «Es bräuchte vor allem eine Änderung in den Köpfen», sagt der Korrespondent. Für viele Menschen gehörten Afrika und Krisen quasi untrennbar zusammen – und wer so denke, sehe sich bei Meldungen aus den afrikanischen Krisengebieten in seiner vorgefassten Meinung bestätigt. Als Folge davon erhalten diese Meldungen kaum mehr Aufmerksamkeit. Wenn es gelänge, ein differenzierteres Afrika-Bild in die Köpfe zu bringen, würden die Krisen mehr Aufmerksamkeit und mehr Mittel zu ihrer Bewältigung erhalten, glaubt Urech.
Daran hapert es: Auf der Welt gibt es immer mehr Krisen, in denen Mittel und Gelder benötigt werden, während in den westlichen Ländern gleichzeitig der Druck auf die Regierungen wächst, die Entwicklungshilfegelder zu kürzen – auch in der Schweiz. «Das hat direkte Auswirkungen auf die Betroffenen von Krisen», so Urech. Nicht selten müssten deshalb in Vertriebenenlagern die Hilfe (Nahrung, Medizin) gekürzt werden. «Und das wiederum vertieft viele Krisen weiter.»