Papst Franziskus hat die Ureinwohner Kanadas um Vergebung für die einst von Kirchenvertretern begangenen Vergehen an indigenen Kindern gebeten.
Mitglieder der katholischen Kirche und der Ordensgemeinschaften hätten an «Projekten der kulturellen Zerstörung und der erzwungenen Assimilierung» der Ureinwohner teilgenommen, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Dies habe seinen Höhepunkt im «System der Internatsschulen» gefunden, sagte er im kleinen Ort Maskwacis nahe der Stadt Edmonton in der Provinz Alberta.
Franziskus bat in seiner Rede mehrfach um Vergebung. Die Politik der Assimilierung und Entrechtung sei für die Menschen in diesen Gebieten «verheerend» und «katastrophal» gewesen, sagte der Argentinier.
«Ich bitte um Vergebung insbesondere für die Art und Weise, in der viele Mitglieder der Kirche und der Ordensgemeinschaften, auch durch Gleichgültigkeit an den Projekten der kulturellen Zerstörung und der erzwungenen Assimilierung durch die damaligen Regierungen mitgewirkt haben, die im System der Internatsschulen ihre Höhepunkte fanden», sagte Franziskus.
Am Ende seiner Rede, der auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau beiwohnte, bekam der Papst einen traditionellen Feder-Kopfschmuck der Ureinwohner aufgesetzt.
Franziskus will «Gleichgültigkeit» begegnen
Vertreter der indigenen Gruppen hatten Franziskus Ende März im Vatikan besucht. Schon damals bat der Pontifex für die Taten der Kirche um Entschuldigung. Franziskus rief nun die Berichte in Erinnerung, die er damals in Rom von den indigenen Vertretern erhalten hatte.
Die Internate hätten Sprache und Kultur der Ureinwohner verunglimpft und unterdrückt, sagte er. Kinder seien «körperlich und verbal, psychologisch und spirituell misshandelt» und «von zu Hause weggeholt» worden, sagte Franziskus.
Fast 2000 Überlebende der ehemaligen Internate waren in Maskwacis erwartet worden.
Ich denke an die Tragödie, die so viele von euch, eure Familien, eure Gemeinschaften erlitten haben.
Während Franziskus' Rede applaudierten sie immer wieder. An den Ort mit wenigen Tausend Einwohnern reisten Menschen aus dem ganzen Land. Auch in Maskwacis befand sich einst ein Internat. Der Ort rief in Franziskus nach eigenen Worten einen «Schmerzensschrei» hervor, der ihn in den vergangenen Monaten begleitete. «Ich denke an die Tragödie, die so viele von euch, eure Familien, eure Gemeinschaften erlitten haben», sagte der Pontifex.
Kanada-Reise des Papstes geht weiter
Der Südamerikaner zitierte in seiner auf Spanisch gehaltenen Rede den Holocaustüberlebenden und renommierten Autor Elie Wiesel: «Das Gegenteil der Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit. Das Gegenteil des Lebens ist nicht der Tod, sondern die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und dem Tod.»
Die Begegnungen mit den Indigenen sind der zentrale Anlass für die mehrtägige Reise des Papstes in dem flächenmässig zweitgrössten Land der Erde mit rund 38 Millionen Einwohnern. Er wird in den kommenden Tagen in anderen Landesteilen auf weitere indigene Vertreter treffen.
Am Montagnachmittag (Ortszeit) wollte Franziskus in Edmonton noch eine katholische Kirche besuchen, die Erzbischof Joseph MacNeil 1991 zu einer Pfarrei für Christen, First Nations, Métis und Inuit machte.
Es war das erste Gotteshaus dieser Art in Kanada, in dem der katholische Glaube und die Kultur der Ureinwohner zusammenfliessen durften. Am Dienstag will der Papst in einem Stadion in Edmonton eine Messe feiern und den für Katholiken und Ureinwohner gleichermassen bedeutsamen See Ste. Anne (Heilige Anna) segnen.