- Papst Franziskus hat auf seiner Kanada-Reise bei einem Treffen mit Premier Justin Trudeau um Vergebung für die von Christen an den indigenen Völkern begangenen Übel gebeten.
- Das katholische Kirchenoberhaupt sprach in Québec vom System der Internate, das vielen indigenen Familien geschadet und ihre Sprache, Kultur und Weltanschauung gefährdet habe.
- Zugleich wies Franziskus eine alleinige Schuld der Kirche zurück.
Das System sei von den damaligen Regierungsbehörden gefördert worden. «In dieses beklagenswerte, von den damaligen Regierungsbehörden geförderte System (...) waren einige örtliche katholische Einrichtungen miteinbezogen», erklärte der 85-Jährige. Seine Botschaft: Der kanadische Staat sei ebenfalls in der Verantwortung gewesen.
Franziskus erklärte am Mittwoch in der Zitadelle Québecs, einer von den Briten einst angelegten Festung, es sei richtig, die eigene Schuld einzugestehen und sich dafür einzusetzen, die Rechte der Ureinwohner zu fördern und Prozesse der Heilung und Versöhnung zwischen ihnen und den nicht-indigenen Völkern des flächenmässig zweitgrössten Landes der Erde zu unterstützen. Sein Wunsch sei, die Beziehung zwischen der Kirche und den indigenen Völkern zu erneuern.
Wichtige Anerkennung der Traumata durch den Papst
Trudeau sprach in seiner auf Französisch und Englisch gehaltenen Rede am Mittwoch davon, wie indigene Kinder in den Internaten allein und isoliert gewesen seien. Papst Franziskus habe in dieser Woche den Missbrauch in den Internaten anerkannt, der zu kultureller Zerstörung, Tod und heute noch bestehenden Traumata bei den Ureinwohnern führte.
«Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Unterschiede nicht als Hindernis, sondern als Gelegenheit zu sehen, zu lernen und uns besser zu verstehen, und zur Tat zu schreiten», so der Pontifex.
Ab 1880 waren in den Einrichtungen indigene Kinder untergebracht, die ihren Familien entrissen worden waren, um sie in den Schulen zwangsweise an die westliche Kultur anzupassen. Dort durften sie zum Beispiel ihre Sprache nicht sprechen und keine indigene Kleidung tragen. Ein staatliches Programm, das die Kirche mittrug, ordnete an, die Ureinwohner-Kinder an die kanadische Mehrheitsgesellschaft anzugleichen.
Institute forderten bis zu 6000 Tote
In den Instituten herrschten Hunger und Krankheiten, Bedienstete taten den Kindern Gewalt an und missbrauchten sie sexuell. Manche schätzen, dass bis zu 6000 Kinder nie nach Hause zurückkehrten und in diesem unbarmherzigen System den Tod fanden. Ab dem Ende der 1960er-Jahre entzog der Staat der Kirche die Leitung der Internate. Das letzte schloss 1996.
Im Mittelpunkt der Reise Franziskus' stehen Treffen mit den Indigenen und die Bitte um Vergebung. Heute Donnerstag folgt der kirchliche Teil des Besuchs mit einer Messe in der Basilika Saint Anne de Beaupré und einem Treffen mit Kirchenvertretern.
Québec und die gleichnamige Provinz des französischsprachigen Landesteils sind mehrheitlich katholisch. In ganz Kanada sind laut Zahlen des Vatikans 44 Prozent der Bevölkerung katholisch getauft, Umfragen zufolge fühlen sich aber weniger Menschen der katholischen Kirche zugehörig.