Die Party kann für Boris Johnson weitergehen – zumindest vorübergehend. Der britische Premierminister überstand am Montag ein Misstrauensvotum seiner Tory-Partei. Solche Vertrauensabstimmungen haben bei Grossbritanniens Konservativen Tradition. Ein Blick zurück zeigt: Auch gewonnene Misstrauensabstimmungen können der Anfang vom Ende sein.
May besser als Johnson
Gut möglich, dass sich Johnsons Vorgängerin Theresa May am Montagabend ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Im Dezember 2018 überstand May eine Vertrauensabstimmung mit 63 Prozent Zustimmung und war damit notabene besser als Johnson, der lediglich 59 Prozent der konservativen Abgeordneten hinter sich scharen konnte. Nichtsdestotrotz markierte Mays Sieg den Anfang vom Ende ihrer Zeit als Premierministerin. Ein halbes Jahr später warf sie das Handtuch. Der Grund: Ihr Brexit-Deal fand bei den Tories keine Mehrheit.
Könnte Johnson nun das gleiche Schicksal wie May ereilen? «Es ist denkbar, dass Boris Johnson ein paar Tage, vielleicht noch ein paar Wochen oder Monate im Amt bleibt», sagt SRF-Grossbritannien-Korrespondent Michael Gerber. Ein Schlüsselmoment für Johnson wird gemäss Gerber der 23. Juni: An diesem Tag – dem sechsten Jahrestag des Brexit-Referendums – finden in zwei Wahlkreisen Nachwahlen statt. «Wenn die Tories beide Wahlkreise verlieren, könnte der Druck, sofort abzutreten, auf Johnson steigen», so Gerber.
Bei einem Vollerfolg bleibe Johnson wohl etwas Zeit zum Durchatmen. Was Johnson entgegenkommt, ist die derzeit schwache parteiinterne Konkurrenz. «Es gibt keine Persönlichkeit innerhalb der Partei, die ihm im Moment gefährlich werden könnte», sagt Gerber. Dies könne sich aber in den nächsten Tagen und Wochen ändern. Ganz im Gegensatz dazu hatte May in der Person von Boris Johnson selbst einen harten Widersacher in den eigenen Reihen. May selbst sitzt heute immer noch als Hinterbänklerin im Unterhaus.
Das Ende der «Eisernen Lady»
Dass Vertrauensabstimmungen bei den Tories Tradition haben, zeigt ein Blick weiter zurück in die Geschichtsbücher: 1990 ging es für die «Eiserne Lady» Margaret Thatcher in ihrer dritten Amtszeit ums Ganze. Zum zweiten Mal nach 1989 musste sie sich einem Misstrauensvotum stellen. Mit ihrem unnachgiebigen Kurs in der Europa- und Sozialpolitik und ihrem selbstherrlichen Führungsstil hatte sie sich in der Fraktion immer mehr ins Abseits manövriert. Thatcher obsiegte nur knapp, musste aber politisch schwer angeschlagen acht Tage später zurücktreten.
Thatchers Nachfolger John Major zettelte 1995 als Parteichef ein Misstrauensvotum aus taktischen Gründen an. Major schlug zwar seinen parteiinternen Herausforderer, verlor aber zwei Jahre später die Wahl gegen Tony Blair.
Eine Niederlage bei einem Misstrauensvotum musste zuletzt der damalige Tory-Chef Iain Duncan Smith hinnehmen. 2003 sprachen sich 55 Prozent der Abgeordneten der damaligen Oppositionspartei gegen ihn aus. Genau wie Theresa May sitzt auch Smith immer noch als Abgeordneter im Unterhaus.