Schon 2008 erwog der Bundesrat, für 2023/2024 einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat anzustreben. 2011 beschloss er die Kandidatur offiziell. Heute erfolgte die Wahl.
Die Schweiz trat zu einem günstigen Zeitpunkt an: Die Amtszeit von Norwegen und Irland im Sicherheitsrat läuft Ende Jahr ab. Das heisst, die westeuropäische Staatengruppe kann zwei Sitze neu besetzen. Für diese gibt es genau zwei Kandidaten: die Schweiz und Malta. Es kam also zu keiner Kampfwahl.
Dennoch betonte Bundespräsident Ignazio Cassis am Vorabend der Wahl durch die UNO-Generalversammlung: Entschieden sei die Sache erst, wenn das Resultat verkündet werde.
Cassis: Keine Sorge um die Neutralität
Für Cassis ist es selbstverständlich, dass die Schweiz in den Sicherheitsrat will: Man sei vor 20 Jahren der UNO beigetreten, und zwar voll und ganz und ohne Vorbehalt. Und jene, die weiterhin um die Neutralität fürchten, beruhigt er: Die Schweiz werde ihre Neutralität nicht verlieren.
Die Politik der Schweiz werde sich nicht ändern – hingegen habe man im Sicherheitsrat zusätzliche Möglichkeiten, sich für die eigenen Anliegen und Ziele zu engagieren.
Auffallend ist, dass die Frage der Vereinbarkeit der Neutralität mit einem Sitz im UNO-Sicherheitsrat fast ausschliesslich in der Schweiz ein Thema ist. Tatsächlich sassen bereits eine ganze Reihe neutraler Staaten im UNO-Sicherheitsrat – Schweden, Finnland, Österreich und momentan Irland.
Schweden war sogar schon viermal während jeweils zwei Jahren Mitglied. All diesen Ländern wird attestiert, gute Arbeit geleistet zu haben im einflussreichsten UNO-Gremium. Niemand würde behaupten, sie hätten ihre Neutralität verraten. Zumal all diese Staaten Neutralität nicht als Verzicht auf Positionsbezüge verstehen.
Eigene Linie gefragt
Entscheidend ist, dass neutrale Staaten klarmachen, dass sie ihre Voten und ihr Stimmverhalten nicht an der Position anderer, oft einflussreicher Staaten oder an jener von Machtblöcken ausrichten. Vielmehr an ihren Werten und an Prinzipien.
Und damit letztlich an grundlegenden Vereinbarungen, also an der UNO-Charta oder an der UNO-Menschenrechtserklärung. Deren Prinzipien sind wegleitend – und nicht die Frage, ob nun die USA, China oder die EU diese oder jene Sichtweise vertreten.
Verhält sich ein neutrales Land konsequent so, läuft es auch weniger Gefahr, unter Druck gesetzt zu werden. Denn es kann glaubwürdig darlegen, woran es sich bei seinen Positionsbezügen orientiert. Den neutralen Ländern, die bereits im UNO-Sicherheitsrat sassen, ist das gut gelungen. Es gibt kaum Gründe zur Annahme, dass die Schweiz das nicht auch schafft.
Cassis: Enorm wichtige Phase
An einem Treffen der übrigen neu kandidierenden Länder und der UNO-Botschafter aus vielen anderen Staaten am Sitz der Vereinten Nationen in New York habe er immer wieder folgende Erwartung an die Schweiz vernommen, sagt Ignazio Cassis: «Macht weiter so wie bisher. Die Schweiz ist als Brückenbauerin bekannt, als Land, das den Dialog fördert und das innovativ und kreativ ist. Genau das erwartet man von uns, wenn wir künftig im Sicherheitsrat sitzen.»
Die Schweiz ist als Brückenbauerin bekannt, als Land, das den Dialog fördert und das innovativ und kreativ ist. Genau das erwartet man auch von uns.
Aus der Sicht des Aussenministers beginnt mit der Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat eine enorm wichtige Phase in der Geschichte der Schweizer Aussenpolitik. Eine, in der die weltweite Sichtbarkeit der Schweiz steigt und die Möglichkeiten, sich einzubringen, erheblich zunehmen.