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Wahl in Russland Putin gewinnt Pseudowahl mit Rekord – Proteste in Bern und Genf

  • Gemäss Nachwahlbefragungen kann Amtsinhaber Wladimir Putin mit 87.8 Prozent der Stimmen rechnen.
  • Das russische Staatsfernsehen erklärte den 71-jährigen amtierenden Präsidenten nach Schliessung der Wahllokale zum Sieger.
  • Nach Auszählung von knapp 50 Prozent der abgegebenen Stimmen lag Putin bei einem Anteil von 87.34 Prozent, wie russische Medien aus der Zentralen Wahlkommission berichteten.

Damit legte der 71 Jahre alte Putin um mehr als zehn Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl von 2018 (76.7 Prozent) zu. Es gilt als das beste ihm je zuerkannte Ergebnis, mit dem er seine fünfte Amtszeit antritt.

Wladimir Putin über Wahlsieg und Nawalny

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Wladimir Putin auf einer Bühne
Legende: Wladimir Putin spricht in Moskau, nachdem die Wahlkommission seinen Wahlsieg prognostiziert hat (18.03.24) REUTERS/Maxim Shemetov

Der russische Präsident sieht in seiner Wiederwahl ein Mandat zur Stärkung des Landes. Sein Wahlsieg zeige, dass es richtig gewesen sei, den gegenwärtigen Weg einzuschlagen, sagte der Präsident am Sonntagabend.

Russland könne nun stärker und effizienter werden. Er werde die Gesellschaft «konsolidieren» und dann werde niemand mehr Russland unterdrücken. Er sei sich sicher, dass alle Ziele erreicht würden.

Unter Verweis auf die Entwicklung in der Ukraine sagte Putin, die russischen Streitkräfte machten jeden Tag Fortschritte. Gleichwohl müsse die Armee gestärkt werden.

Mögliche Freilassung Nawalnys angesprochen

Mit Blick auf den jüngst verstorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sagte Putin, wenige Tage vor dessen Tod sei ihm, Putin, gesagt worden, dass es die Idee gebe, Nawalny gegen im Westen Inhaftierte auszutauschen.

Er, Putin, habe einem solchen Austausch zugestimmt. Und er habe gesagt, Nawalny solle niemals wieder nach Russland zurückkehren. Der 47-jährige Nawalny war in Russland zu jahrzehntelanger Haft verurteilt worden und Mitte Februar in einem Straflager im Norden Russlands gestorben.

Die Wahlbeteiligung wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord. Es war der höchste Wert bei einer russischen Präsidentenwahl. Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass er nur durch Repressionen, Zwang und Betrug erreicht wurde.

Protestaktion «Mittag gegen Putin»

In Genf waren zur Mittagszeit rund 400 Russen und Russinnen aus der Westschweiz angereist. Die meisten von ihnen folgten dem Aufruf der Witwe des toten Oppositionellen Alexej Nawalny, zur gleichen Zeit am Mittag an die Urnen zu gehen.

Wahl ohne Opposition

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Die Wahl in Russland wird als undemokratisch eingestuft, weil keine echten Oppositionskandidaten zugelassen waren. Zudem gibt es in Russland keine Versammlungsfreiheit und die vom Kreml gesteuerten Medien sind gleichgeschaltet. Unabhängige Medien werden politisch verfolgt. Andersdenkende, die Putins Krieg gegen die Ukraine oder den Machtapparat kritisieren, riskieren Strafen bis hin zu Lagerhaft.

Putins drei Mitbewerber waren nicht nur alle auf der politischen Linie des Kreml, sondern galten auch von vornherein als chancenlos. Nach Schliessung der Wahllokale wurden dem Kommunisten Nikolai Charitonow gemäss ersten Ergebnisse weniger als vier Prozent der Stimmen zuerkannt; Wladislaw Dawankow von der liberalen Partei Neue Leute lag ebenfalls bei unter vier Prozent. Der Ultranationalist Leonid Sluzki erreichte rund drei Prozent.

In Bern protestierten rund tausend Wahlberechtigte gegen Amtsinhaber Wladimir Putin. Die Warteschlange vor der russischen Botschaft in Bern war mehrere hundert Meter lang, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.

Proteste in Genf und Bern

Bei der Protestaktion «Mittag gegen Putin» sollen die Stimmenden jedem Kandidaten ausser Putin die Stimme geben. Mehrere Personen zählten vor Ort in Genf die anstehenden Wähler und Wählerinnen. Sie wollen damit die vom Kreml angegebenen Zahlen überprüfen.

Bei der letzten Präsidentschaftswahl in Russland vor sechs Jahren hatten sich in der ganzen Schweiz lediglich rund 900 Russinnen und Russen an der Wahl beteiligt. Heute leben in der Schweiz gut 16'000 Russinnen und Russen.

Kritik an online Stimmabgabe

In Russland versammelten sich nach dem Aufruf der Opposition an vielen Wahllokalen in Russland um die Mittagszeit Tausende Gegner Putins, um zu zeigen, dass sie den Kreml-Chef nicht weitere sechs Jahre im Amt sehen wollen.

Auftritt von Oppositionspolitiker Nadeschdin

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Der von der Präsidentenwahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin hat sich an der friedlichen Protestaktion «Mittag gegen Putin» in der russischen Hauptstadt Moskau beteiligt.

Im Moskauer Institut für Physik und Technik, wo Wahllokal eingerichtet ist, wurde er mit grossem Applaus von Studenten empfangen, wie ein von ihm auf Telegram veröffentlichtes Video zeigt.

«Ich denke, ihr werdet noch die Chance haben, für mich zu stimmen», sagte er den Versammelten. Er kündigte die Veröffentlichung eigener Nachwahlbefragungen an, nach der Schliessung der Wahllokale. Deren Ergebnisse unterschieden sich stark von dem, was die Obrigkeit erwartet habe, sagte Nadeschdin.

Keine Zulassung zur Wahl

Als erklärter Kriegsgegner hatte Nadeschdin im Januar Aufsehen erregt, als Tausende Russen Schlange standen, um ihre Unterschrift für ihn abzugeben.

Nach seinen eigenen Angaben konnte der 60-Jährige Nadeschdin die doppelte Anzahl der geforderten 100'000 Unterschriften von Unterstützern sammeln. Trotzdem schloss die vom Kreml gesteuerte Wahlkommission den Liberalen von der Wahl aus .

Zur Begründung gab Wahlkommission an, dass in Stichproben angeblich zu viele fehlerhafte Unterschriften dabei gewesen seien. Russische Gerichte lehnten Nadeschdins Einspruch gegen seinen Wahlausschluss ab.

Die Wahlkommission in Moskau hat bekannt gegeben, dass die Beteiligung inzwischen höher sei als bei der letzten Wahl 2018. Der Wert von 67.54 Prozent von damals sei um 11:50 Uhr Schweizer Zeit übertroffen worden, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass.

Bei kremlkritischen Protestaktionen sind Bürgerrechtlern zufolge Dutzende Menschen festgenommen worden. Insgesamt zählte die Organisation Ovd-Info bis zum Sonntagnachmittag landesweit mehr als 80 Festnahmen – rund 30 davon in der Stadt Kasan. Auch Bürger und Bürgerinnen in Moskau und St. Petersburg waren betroffen.

Die Wahl für die fünfte Amtszeit von Präsident Wladimir Putin war erstmals auf drei Tage angesetzt worden. Dies sollte auch mehr Wählern und Wählerinnen die Chance zur Stimmabgabe geben. Zusätzlich stimmten Millionen Menschen online ab – Berichten zufolge, teilweise auf behördlichen Druck. Laut der Wahlkommission Moskau nutzten 7.74 Millionen Menschen bis 11 Uhr Schweizer Zeit die Online-Abstimmung, das entspricht einer Wahlbeteiligung von knapp sieben Prozent.

Wahlen in Russland – Proteste in Europa

Unabhängige Beobachter kritisieren, dass viele Bürger und Bürgerinnen von ihren staatlichen Arbeitgebern an die Wahlurnen gedrängt worden seien. Nicht nur das ist illegal, auch der von den Wählern und Wählerinnen berichtete Auftrag, Fotos ihres Wahlzettels an Vorgesetzte zu schicken, gilt als Verstoss gegen das russische Wahlrecht.

Berichte: Frau verletzt sich bei Protest schwer

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Eine Frau hat Medienberichten zufolge in einem Wahllokal Feuerwerkskörper gezündet und sich dabei selbst schwer verletzt. Die 64-Jährige aus der Stadt Perm habe die Explosion auf der Toilette des Gebäudes herbeigeführt und sich dabei selbst eine Hand abgerissen, berichtet der Telegram-Kanal «Baza». Die regionalen Behörden bestätigten Medien zufolge einen Notfall in dem Wahllokal und teilten mit, dass die Frau ins Krankenhaus gebracht worden sei. 

Tagesschau, 17.03.24, 13:00 Uhr ; 

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