Seit Monaten verdichten sich die Anzeichen, dass es zu einer diplomatischen Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien kommen könnte. Jüngst haben sich sogar Israels Premier Netanjahu und der saudische Kronprinz bin Salman öffentlich zu den Verhandlungen geäussert und sich zuversichtlich gezeigt. Die SRF-Nahostkorrespondenten Anita Bünter und Jonas Bischoff geben Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die mögliche Annäherung.
Wieso pflegen Israel und Saudi-Arabien bisher keine diplomatischen Beziehungen?
Dass Israel und Saudi-Arabien keine diplomatischen Beziehungen pflegen, hat historische Gründe: Saudi-Arabien war 1948 gemeinsam mit anderen arabischen Staaten gegen die Staatsgründung Israels. Das Land hat sich seither immer wieder für die Palästinenser starkgemacht. Trotz des Fehlens formeller diplomatischer Beziehungen zu Israel gibt es aber Berichte, dass Israel und Saudi-Arabien bei Sicherheitsfragen schon seit längerem zusammenarbeiten. Beide Länder betrachten den Iran als eine regionale Bedrohung.
Wieso kommen sich die Länder gerade jetzt näher?
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman will sein Königreich zu einem regionalen Hub für Innovation und Wirtschaft machen. Seit einiger Zeit setzt er auf den Ausbau diplomatischer Beziehungen zu allen Lagern. Eine Annäherung an Israel würde da ins Konzept passen.
Vermittelt wird die Annäherung von den USA. Washington hat bereits in den letzten Jahren eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten gefördert. 2020 gelang mit den sogenannten «Abraham Accords» die Annäherung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain, Marokko und Sudan. Eine Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien wäre ein weiterer diplomatischer Grosserfolg.
Wie stehen die Chancen, dass die Annäherung gelingt?
Es gibt Anzeichen dafür, dass eine Annäherung möglich ist, insbesondere aufgrund gemeinsamer wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Interessen. Doch es gibt zwei grosse Hindernisse: Saudi-Arabien fordert Zugeständnisse an die Palästinenser. Diese Forderungen dürfte Israel unter seiner jetzigen, rechten Regierung kaum zu erfüllen gewillt sein. Saudi-Arabien will ausserdem laut Medienberichten Sicherheitsgarantien von den USA: So soll Riad ein Verteidigungsabkommen von Washington fordern, ebenso Zugang zu US-Waffen. Auch ein ziviles Atomprogramm mit eigener Urananreicherung soll auf der Wunschliste der Saudis stehen. Unklar ist, ob Washington bereit ist, einen solchen Preis für eine Annäherung zu bezahlen.
Gäbe es bei einer Annäherung auch Verlierer?
Grosse Verlierer wären wohl die Palästinenser. Bisher wollten die Saudis mit Israel erst dann diplomatische Beziehungen aufnehmen, wenn die Palästinenser einen eigenen Staat bekämen. Doch die Anzeichen mehren sich, dass Saudi-Arabien von dieser Position abrücken könnte. Für Riad sind Sicherheitsgarantien aus den USA wichtiger als ein eigenständiger Palästinenserstaat. Damit könnten sich die letzten Hoffnungen der Palästinenser auf einen eigenen Staat bei einer israelisch-saudischen Annäherung vollends zerschlagen.