Saudi-Arabien hat in den vergangenen Monaten auf dem diplomatischen Parkett auf sich aufmerksam gemacht: Annäherung an Iran, Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga und Abhaltung einer internationalen Ukraine-Konferenz. Nun könnte ein weiterer Meilenstein folgen: eine Annäherung an Israel. Diese Woche soll eine palästinensische Delegation nach Riad reisen. Nahost-Korrespondent Thomas Gutersohn und Susanne Brunner, Leiterin der SRF-Auslandredaktion, beantworten die wichtigsten Fragen.
Was steckt hinter dieser Annäherung?
Verhandlungen für eine Annäherung dauern schon über zehn Jahre und verlaufen langsam, mit kleinen Fortschritten. Etwa, dass israelische Flugzeuge über den saudischen Luftraum fliegen dürfen. Aber Saudi-Arabien anerkennt Israel nicht als Staat. Im Gegensatz dazu haben Bahrain, die Emirate, Marokko und auch der Sudan die Beziehungen mit Israel normalisiert – vor allem unter Vermittlung der USA. Die USA hoffen, dass Saudi-Arabien auch mitmachen würde, was bisher nicht geschah.
Ist Israels ultrarechte Regierung ein Hindernis?
Den Saudis geht es weniger um die Beziehung mit Israel, sondern darum, was sie von den USA bekommen. Die aktuelle Regierung in Israel ist nicht wirklich bereit, Zugeständnisse in der Palästinenserfrage zu machen. Das versucht Saudi-Arabien zu nutzen, um den Einsatz der Amerikaner zu erhöhen. Saudi-Arabien spielt ein Spiel auf zwei Ebenen. Je weniger für die Palästinenser drin liegt, desto mehr lassen sich die Saudis ihr Entgegenkommen gegenüber Israel vergolden.
Ein Knackpunkt in der Annäherung ist die Palästinenserfrage. Was erwartet die Palästinenser-Delegation von den Saudis?
Sie haben eine lange Wunschliste: Erstens wollen sie mehr Kontrolle über Teile des besetzten Westjordanlands, das jetzt faktisch die israelischen Sicherheitskräfte vollständig kontrollieren. Zweitens wollen sie wieder ein US-Konsulat in Jerusalem für Palästinenserinnen und Palästinenser. Ein solches gab es bis 2019. Aber der damalige US-Präsident Donald Trump schloss das Konsulat, als er Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels anerkannte – damals als erster und einziger Staat. Drittens wollen sie ein saudisches Konsulat in Jerusalem, das sich um palästinensische Anliegen und Reiseanträge kümmert. Und viertens: Geld. Vor einiger Zeit hatte Saudi-Arabien den Palästinensern den Geldhahn zugedreht.
Sie verzichten also auf die Forderung nach einem eigenen Staat?
Ja, und das ist neu: Der eigene Staat ist nicht mehr die ultimative Bedingung der Palästinenserführung für ihr Ja zu einer Normalisierung der Beziehungen Saudi-Arabiens mit Israel. Offenbar genügt jetzt die Erfüllung einiger Wünsche auf dieser Wunschliste – wohl Realpolitik. Ihr Ziel bleibt aber trotzdem der eigene Staat.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Saudi-Arabien und Israel tatsächlich ihre Beziehungen normalisieren?
Die Frage ist mehr, wann ein solcher Deal zustande kommt – dieses Jahr oder erst in zehn Jahren? Beide Länder haben Interesse daran, die Konflikte in der Region beizulegen. Saudi-Arabien und Israel haben Interesse an Handelsbeziehungen miteinander. Insofern ist die Richtung vorgegeben.
Wie schnell das jetzt vorangehen soll, hängt erstens davon ab, ob die israelische Regierung bereit ist, gegenüber den Palästinensern minimale Konzessionen zu machen. Und das ist diese Regierung nicht. Zweitens hängt es damit zusammen, wie viel Saudi-Arabien von den USA bekommt. Und drittens, wie sehr der saudische Kronprinz gewillt ist, die Forderung der Palästinenser in einem für Saudi-Arabien sicherlich sehr vorteilhaften Deal mit den USA zu verkaufen.