Es gibt Stau vor dem Hafen von Giurgiulesti. Auf der Strasse, auf der Schiene – und vor allem auf der Donau. Auf dem Fluss, der träge dem Schwarzen Meer entgegen fliesst, ankern ein Dutzend Frachtschiffe.
«Die Schiffe, die Sie da vorne sehen, stehen auf einer Art Parkplatz auf der Donau. Die warten auf die Abfertigung in unserem Hafen», sagt Mathias von Tucher. Der Münchner mit den vielen Lachfältchen im Gesicht ist der Generaldirektor von Danube Logistics, der Firma, die den einzigen moldawischen Donauhafen betreibt.
Mehr Betrieb wegen des Ukrainekriegs
Auf der einen Seite des Hafens ist die ukrainische Grenze, auf der anderen die rumänische. Am 430 Meter langen moldawischen Ufer dazwischen herrscht Hochbetrieb. Ein Kran kippt ganze Mulden Mais in ein Frachtschiff. Weiter vorne, am Ölterminal, fliesst durch eine Stahlröhre moldawisches Sonnenblumenöl in einen Tanker. Auf der anderen Seite hievt ein Kran Container auf einen ukrainischen Güterzug.
«Seit die ukrainischen Seehäfen wegen des Krieges geschlossen sind, herrscht an den fünf Ladeterminals von Giurgiulesti noch mehr Betrieb als vorher schon», sagt der Generaldirektor. «Es gibt Hunderttausende von Containern, die noch in der Ukraine feststecken, und andere, die noch auf dem Weg dorthin sind. Ein Teil davon wird jetzt über unseren Hafen verschifft.»
Fehlender Treibstoff in der Ukraine, zu wenig Kapazität in Giurgiulesti
Aber bei Weitem nicht alle Schiffe, die den einzigen Donauhafen Moldawiens gerne anlaufen würden, können das auch. Vor allem bei Tankschiffen, die Treibstoff transportieren, ist die Nachfrage grösser als die Kapazität des Hafens. Der Grund: die Treibstoffknappheit im Kriegsland Ukraine.
«Giurgiulesti bietet für Lieferungen in die Ukraine und aus der Ukraine einen grossen Vorteil», sagt Mathias von Tucher und zeigt auf die Eisenbahnladestation. «Hier haben wir die westeuropäische Spurbreite und die breitere osteuropäische. Das heisst, wir haben alles da, um auch ukrainische Züge mit Diesel zu beladen.»
Der Hafen von Giurgiulesti ist auch für Moldawien selbst wichtig. Das kleine Land mit 2.7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern lebt stark von der Landwirtschaft. Über Giurgiulesti exportiert es Getreide, Wein oder Öl. Und wichtige Importe, die bis vor Kurzem noch vor allem per Bahn aus der Ukraine kamen, werden jetzt auch hier angeliefert, zum Beispiel Dünger, den Moldawien nicht selbst herstellt.
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Ein ausgesetzter Streifen Land
Auf einer kleinen Anhöhe neben dem Hafen wird deutlich, wie ausgesetzt Giurgiulesti ist, jetzt, da in der Ukraine Krieg herrscht. Unmittelbar hinter dem Zaun des Hafens steht der moldawische Grenzturm, zehn Meter dahinter der ukrainische. Die andere Flussseite gehört bereits zu Rumänien.
Russlands Generäle wollen den ganzen Süden der Ukraine einnehmen. Sollte ihnen das gelingen, dann wäre die Gefahr riesig, dass sie auch noch die 430 Meter Moldawien durchqueren und bis zur rumänischen Nato-Grenze marschieren würden. Generaldirektor Mathias von Tucher sagt: «Wenn da nicht mehr Ukrainer, sondern Russen aus dem Wachturm schauen, sind wir hier in Gefahr.»
Noch aber sind es ukrainische Grenzsoldaten, die aus ihrem Wachturm gelangweilt auf die Donau blicken. Noch hilft der Hafen von Giurgiulesti sowohl Moldawien als auch der Ukraine, die russische Belagerung der Schwarzmeerhäfen zu umgehen.