Das ist passiert: Aussagen von Papst Franziskus stossen international auf Unverständnis. «Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben zu verhandeln», sagte er unter anderem gegenüber dem Radio- und Fernsehsender der italienischsprachigen Schweiz RSI in einem Interview. Die Äusserungen wurden in der Ukraine und bei vielen ihrer Unterstützer als einseitiger Appell allein an Kiew verstanden – von manchen gar als Aufruf zur Kapitulation. Papst-Sprecher Matteo Bruni widersprach am Samstagabend Darstellungen, der Pontifex habe die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert.
Was hat der Papst tatsächlich gesagt? Auf Unverständnis stiess insbesondere die Antwort vom Papst auf die Frage, ob nicht manchmal Mut nötig sei, die weisse Fahne zu hissen – die Formulierung stammte vom Interviewer. Der Papst antwortete: «Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weissen Fahne hat, zu verhandeln.» Sein Pressesprecher stellte später klar, dass der Papst den Begriff der «weissen Fahne» vom Interviewer aufgenommen habe. Er habe sich auf jede Kriegssituation bezogen. Das Interview wurde bereits im Februar geführt und wird in einer Kultursendung, die sich grundsätzlich mit der Farbe Weiss beschäftigt, Ende März ausgestrahlt.
Das RSI-Interview zum Schauen und Nachlesen auf italienisch
Kritik aus der Ukraine: «Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet», schrieb der frühere ukrainische Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko auf der Plattform X.
Auch die ukrainische Botschaft beim Vatikan verurteilte die Aussagen des Papsts auf X. Von offizieller Seite äusserte sich der ukrainische Aussenminister, Dmitro Kuleba, auf X: «Unsere Fahne ist gelb und blau. Das ist die Fahne, mit der wir leben, sterben und durchhalten. Wir werden nie eine andere Fahne hissen.» Er dankte dem Papst für seine Gebete in den zwei Kriegsjahren und lud ihn zu einem Besuch in die Ukraine ein.
Reaktionen auch aus anderen Ländern: In Polen kritisierte Aussenminister Radoslaw Sikorski den Aufruf. «Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären», schrieb Sikorski auf X. Ebenda schrieb der Präsident Lettlands, Edgars Rinkevics, dass man vor dem Bösen nicht kapitulieren dürfe. Man müsse es bekämpfen und besiegen. Polen und Lettland engagieren sich für die Ukraine und unterstützen das Land auch militärisch.