Zuerst eine Recherche der «New York Times», dann doppelte Bloomberg nach: Über inoffizielle diplomatische Kanäle signalisiere Russland, es wolle mit den USA über eine Waffenruhe in der Ukraine verhandeln. Putin sei bereit, die Kämpfe einzufrieren, um dann zu Hause einen Sieg zu verkünden, sagten russische und amerikanische Beamte den beiden Zeitungen.
Freilich kommen aus Moskau aber auch ganz andere Signale: Ex-Präsident Dmitri Medwedew, einer der fanatischsten Kriegsfalken im Kreml, schrieb jüngst, eine unabhängige Ukraine dürfe auf «historisch russischem Land» nicht existieren. Putin selbst erklärte Mitte Januar, die «eroberten» Gebiete werde man nie wieder hergeben. Er vergass damit seine eigene Propaganda-Rhetorik, wonach es in der Ukraine um «Entnazifizierung» und «Befreiung» gehe.
Auffälliger Bericht
Dem Kalkül des Kremls am nächsten kommt wohl ein Bericht, den der russische Auslandsgeheimdienst SWR im Dezember veröffentlicht hat. Das sagt die renommierte russische Politologin Tatjana Stanowaja, die heute ausserhalb Russlands lebt. In diesem Bericht wird behauptet, westliche Regierungen hätten das Vertrauen in den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski verloren und wollten ihn austauschen. Laut Stanowajas Quellen in Moskau will der Kreml damit im Westen zu verstehen geben, dass er nach einem Abgang Selenskis zu Verhandlungen bereit sein könnte.
Was Putin und seine Propaganda bereits mehrfach betont haben, ist also offenbar auch die Grundannahme des Geheimdienstes: Der Westen steuere den angeblich künstlichen ukrainischen Staat wie eine Marionette und könne den Staatschef beliebig auswechseln. Ohne westliche Unterstützung, so der Glaube im Kreml, werde die Ukraine schnell kollabieren.
Ziel bleibt, die Ukraine zu unterwerfen
Entsprechend sendet der Kreml seine Signale zu Verhandlungen nicht an die Ukraine, sondern an den Westen. Denn Russland sei nicht bereit, seine Kriegsziele in der Ukraine aufzugeben, sagen Beobachterinnen und Beobachter. Vielmehr will Putin den kriegsmüden Westen dazu bringen, seine Unterstützung für die Ukraine einzustellen. Mit der Aussicht auf Frieden als Köder will Russland die Bedingungen schaffen, um die Ukraine unterwerfen zu können.
Die Reaktion Russlands auf die Pläne für den Schweizer Friedensgipfel unterstreicht dies: Ohne ein Ende der Waffenlieferungen an das «Kiewer Regime» könne es keine Verhandlungen geben, hiess es.
Derweil sprechen die Falken im Kreml weiterhin davon, die südukrainische Stadt Odessa einzunehmen und Selenski durch einen russlandfreundlichen Präsidenten zu ersetzen. Putin schwurbelt, Russland und Polen könnten das Gebiet der Ukraine dereinst untereinander aufteilen. Für den Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis mag es keinen Frieden ohne Russland geben, aber Russland macht klar: Es akzeptiert keinen Frieden mit einer starken und unabhängigen Ukraine.