Indiens Premierminister Narendra Modi hat diese Woche ein Wahlversprechen eingelöst: Er hat die Autonomierechte des indischen Teils von Kaschmir aufgehoben. Kaschmir ist ein von Indien und Pakistan beanspruchtes Gebiet, dass durch Vermittlung der UNO getrennt wurde. Doch weder Pakistan noch Indien anerkennen diese Trennung als Landesgrenze.
Jammu Kaschmir ist heute der einzige Gliedstaat in Indien mit einer muslimischen Mehrheit. Der BJP, der Hindu-Nationalistischen Regierungspartei waren die dortigen Sonderrechte für die Muslime schon lange ein Dorn im Auge: So konnten etwa nur Kaschmiris in Kaschmir Land kaufen, oder öffentliche Ämter bekleiden. Das kam bei der hinduistischen Wählerbasis der BJP nicht gut an.
Doch die Sonderrechte waren nach der Unabhängigkeit eine Bedingung dafür, dass sich das damals unabhängige Kaschmir Indien anschloss. Diese Privilegien hätten gelten sollen bis die Kaschmiris selbst über ihren Verbleib in Indien abstimmen können. Diese Abstimmung liess Indien aber nie zu, was immer wieder zu Auseinandersetzungen führte. Die Autonomierechte der indischen Kaschmiris vermochten die Ressentiments etwas zu beschwichtigen. Mehr nicht.
Tabubruch der Regierung Modi
Pakistan, das sich gerne als Schutzmacht der muslimischen Kaschmiris in Indien bezeichnet, goss durch terroristische Infiltrationen immer wieder Öl ins Feuer. Je heftiger die Aufstände, desto mehr Militär stationierte Indien in Kaschmir.
Keine Regierung in Indien wagte es bisher die Sonderrechte anzutasten, das labile Gleichgewicht sollte nicht gekippt. Nach dem Wahlerfolg von letztem Mai fühlte sich Modis Regierung genügend ermächtigt, dieses Tabu zu brechen.
Ein Neuanfang für Kaschmir?
In einer Rede zur Nation sprach Modi von einem Neuanfang. Künftig sollen sich indische Unternehmen in Kaschmir niederlassen, die indische Filmindustrie wieder in der idyllischen Landschaft des Berggebietes ansässig werden und sogar ayurvedische Kräuter aus Kaschmir ins Ausland exportiert werden.
Doch schon vor dieser Ankündigung, liess seine Regierung Kaschmir komplett abriegeln, wissend, dass die dortige Bevölkerung alles andere als euphorisch auf diese Botschaft reagieren würde. Dass sich Kaschmir im Moment in einem Belagerungszustand befindet und über 300 Personen inhaftiert und mehrere getötet wurden, davon sprach Modi nicht.
Die Kaschmiris trauen der Regierung nicht und fühlen sich übergangen. Sie durften damals nicht über ihren Verbleib abstimmen und sie wurden auch jetzt nicht gefragt.
Pakistan kann sich einen Krieg nicht leisten
Pakistan reagiert überraschend diplomatisch auf den Entscheid Indiens. Es will den UNO-Sicherheitsrat und den Internationalen Gerichtshof dazu einschalten. Kriegstiraden sind bisher aus Islamabad nicht zu hören. Das hat einen Grund: Pakistan hängt am Tropf internationaler Geldgeber und kann es sich nicht leisten in den Krieg gegen Indien zu ziehen. Sicher nicht solange es selbst nicht attackiert wird.
Das wird zu einer gewissen Desillusionierung führen unter den indischen Kaschmiris. Sie hofften nämlich, dass Pakistan sie dereinst aus den indischen Fängen befreien würde. Jetzt sind die Fesseln noch enger gefasst. Kaschmir soll künftig direkt der Zentralregierung unterstellt werden. Um sich aus dieser Bärenumarmung Neu-Delhis zu lösen, werden wohl noch mehr junge Kaschmiris den Weg des militanten Widerstandes wählen. Beruhigen wird sich die Lage in Kaschmir nicht. Und solange kein Frieden herrscht in Kaschmir, werden auch die von Modi versprochenen Investitionen ausbleiben.