Donald Trump führte in seiner ersten Amtszeit eine gezielt anti-iranische Politik. Er kündigte das Atomabkommen einseitig auf und verhängte harte wirtschaftliche Sanktionen gegen Teheran. Im Wahlkampf sprach er sich für einen israelischen Angriff auf das iranische Atomprogramm aus. Ein solches Szenario scheint nun sogar etwas realistischer geworden zu sein.
Die gesamte Abwehrstrategie des Irans ist in Frage gestellt.
Iran müsse seine Abwehrstrategie gegen einen allfälligen israelisch-amerikanischen Angriff auf seine Atomreaktoren anpassen, sagt Jérome Drevon, Analyst und Dschihadismus-Experte bei der Denkfabrik International Crisis Group (ICG). Die Strategie basierte bisher auf den drei Säulen Langstreckenraketen, vorgelagerte Milizen wie die Hisbollah und die abschreckende Wirkung des Atomprogramms.
In den letzten Wochen und Monaten wurden laut Drevon zwei dieser Pfeiler grundlegend geschwächt: Die Eliminierung der Führungsstrukturen bei der Hisbollah-Miliz sei nicht nur ein Personalverlust, sondern auch ein Verlust sondergleichen in Bezug auf das Know-how der Miliz und deren strategischen Vision.
Iran kann nicht mehr im grossen Stil Langstreckenraketen produzieren, die Israel gefährlich werden könnten.
Der erste Pfeiler, die Langstreckenraketen, wurde durch die israelischen Angriffe vor knapp zwei Wochen geschwächt, ergänzt Fabian Hinz vom International Institute for Strategic Studies (IISS) in Berlin. Dabei seien technische Flaschenhälse im Produktionsprozess der Raketen getroffen worden. Iran könne damit nicht mehr im grossen Stil Langstreckenraketen produzieren, die Israel gefährlich werden könnten.
Die Frage sei nun, über wie viele Raketen Iran noch verfüge, doch darüber gebe es nur Schätzungen, so Hinz. Die USA gingen von ungefähr 3000 Raketen aus, wovon bereits 330 abgeschossen seien: «Diese vermeintliche Endlichkeit des iranischen Raketenarsenals, gekoppelt mit der Schwächung der Hisbollah-Miliz, schadet der iranischen Abschreckungstaktik enorm.»
Kein Waffensystem ist komplett defensiv, und wer sich besser verteidigen kann, kann auch besser angreifen.
Israel kann zudem dank Luftabwehrsystemen wie dem «Iron Dome», das von den USA mitfinanziert wird, solche Angriffe relativ effizient abwehren. Diese Abwehrsysteme beeinflussen laut Hinz die israelische Kriegsführung gegen die libanesische Hisbollah wie auch gegen den Iran stark: «Kein Waffensystem ist komplett defensiv und wer sich besser verteidigen kann, kann auch besser angreifen.»
Die Gefahr einer Eskalation ist mit dem Wahlausgang in den USA gestiegen. Bei Trump muss mit allem gerechnet werden.
Diese Handlungsfreiheit Israels dürfte mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus nun zunehmen, schätzt auch ICG-Analyst Jérome Drevon. Mit der Wiederwahl von Trump habe sich das Eskalationspotenzial im Nahen Osten erhöht. Bei Trump wisse man ohnehin nie wirklich, woran man sei und müsse mit allem rechnen.
Mehr Kooperation mit dem Westen?
Das lässt dem Iran wenig strategischen Spielraum. Teheran könnte längerfristig auf neuere und bessere Raketensysteme setzen oder sich stärker auf den dritten Pfeiler konzentrieren, die nukleare Abschreckung, sagt Fabian Hinz.
Auch Jérome Drevon vom ICG betrachtet die atomare Abschreckung als wohl letzten verbleibenden Pfeiler der iranischen Strategie. Je mehr nun aber der Iran darauf setze, desto mehr werde das Nuklearprogramm zur Zielscheibe Israels.
Der Iran hätte noch eine weitere Option: Die Regierung könnte das endlose Säbelrasseln um Vergeltungsschläge aussetzen und als Gegenleistung auf mehr Kooperation mit dem Westen setzen. Die neue Regierung von Massoud Peseschkian zeigt sich offen für Verhandlungen. Doch ob das in der neuen US-Administration Gehör finden wird, bleibt zu bezweifeln.