- Zwei Tage nach seiner Wahlniederlage hat der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro sein Schweigen gebrochen.
- Anlässlich einer Medienkonferenz sagte Bolsonaro, dass er sich «an die Verfassung halten wolle».
- Er gestand seine Niederlage aber nicht explizit ein.
- Kabinettschef Ciro Nogueira sagte, man wolle nun den Übergangsprozess beginnen – hin zu einer Regierung mit dem neuen Präsidenten Lula da Silva.
Bolsonaro habe ihn autorisiert, den Prozess zum Regierungswechsel gemäss der gesetzlichen Regelung einzuleiten, sagte Kabinettschef Ciro Nogueira. Diese sogenannte Transition ist allerdings gesetzlich geregelt, es braucht dazu keine Zustimmung der scheidenden Regierung.
Zuvor hatte sich Bolsonaro erstmals seit seiner Niederlage in der Stichwahl am Sonntag öffentlich geäussert, allerdings ohne den Sieg seines Herausforderers Lula da Silva ausdrücklich anzuerkennen.
Friedliche Demonstrationen willkommen
«Ich möchte mich bei den 58 Millionen Brasilianern bedanken, die mich am 30. Oktober gewählt haben», sagte Bolsonaro. «Als Präsident und Bürger werde ich weiter alle Anforderungen unserer Verfassung erfüllen.»
Ausserdem erwähnte er seine Anhänger, die in den vergangenen Tagen zahlreiche Fernstrassen im ganzen Land blockierten. «Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde», sagte Bolsonaro. «Friedliche Demonstrationen werden immer willkommen sein.»
Als Präsident und Bürger werde ich weiter alle Anforderungen unserer Verfassung erfüllen.
Seit der Niederlage von Bolsonaro bei der Stichwahl blockieren seine Unterstützer zahlreiche Fernstrassen. Sowohl rund um die Millionenmetropolen Rio de Janeiro und São Paulo als auch in der Provinz stecken sie Autoreifen in Brand, errichten Barrikaden und stoppen den Verkehr.
Seine Anhänger wollten nicht hinnehmen, dass Bolsonaro die Wahl gegen den linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva knapp verloren hat. Lula kam auf 50.90 Prozent der Stimmen, Bolsonaro auf 49.10 Prozent. Es ist der wohl knappste Wahlausgang in Brasilien seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie Ende der 1980er Jahre.
Bis Dienstag hatte sich Bolsonaro nicht zu seiner Niederlage geäussert. Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte auch Bolsonaro vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.
Strassenblockaden erschweren Versorgung
Am Dienstag registrierten die Behörden immer noch über 220 Strassenblockaden von Bolsonaro-Anhängern. Die Fernstrassen sind für die Versorgung des Landes essenziell, der Grossteil der Güter wird in Brasilien mit Lastwagen transportiert.
«Die Haltung von Jair Bolsonaro hat die Befriedung des Landes erschwert und einige seiner Anhänger zu Blockaden auf brasilianischen Strassen veranlasst», teilte dazu die Gewerkschaft der Autobahnpolizei mit.
Die Proteste zeigen, wie polarisiert das grösste Land Lateinamerikas ist. Brasilien ist praktisch in zwei Lager gespalten. Nach seinem Wahlsieg schlug Lula versöhnliche Töne an. «Es ist an der Zeit, die Familien wieder zusammenzuführen und die Bande der Freundschaft wiederherzustellen», sagt er. «Niemand ist daran interessiert, in einem geteilten Land, in einem permanenten Kriegszustand zu leben.»