«Drei Mal hat das Mädchen beim Notruf angerufen. Und sie haben es erst nach 19 Stunden geschafft, zu ihr zu kommen. Nach 19 Stunden!» Der Frau kommen die Tränen, während sie mit dem Fernsehreporter redet.
Ein Automechaniker in Südrumänien hat zugegeben, dass er seine Verwandte umgebracht hat, die 15-jährige Alexandra. Später gestand er noch einen weiteren Mord an einer 18-Jährigen, die seit April verschwunden war.
Viele Menschen in Rumänien sind schockiert, mehrere Tausend haben bereits gegen die Regierung demonstriert. Sie sind wütend auf die Behörden und die rumänische Regierung. Für sie ist das Verbrechen mehr als ein tragischer Einzelfall.
Polizei ohne Durchsuchungsbefehl
Klar ist, dass fast alles schief lief. Die 15-jährige Alexandra sagte der Polizei am Telefon, sie sei vergewaltigt worden. Sie beschrieb, wohin ihr Peiniger sie verschleppt hatte. Zuerst konnten die Behörden sie aber nicht orten. Und dann wartete die Polizei stundenlang vor dem Haus des mutmasslichen Täters auf einen Durchsuchungsbefehl.
Staatsanwalt Bogdan Pirlog empfängt einem im Gefängnis, wo er arbeitet. Früher, während der Diktatur, hat man hier Insassen gefoltert. Heute, sagt Pirlog, drohe Rumänien wieder zu einem Unrechtsstaat zu werden. Weil die sozialdemokratische Regierung die Strafgesetze umschreibe.
Das rumänische Justizsystem passe inzwischen besser zu einem Irrenhaus als zu einem Staat. Die neuen Gesetze hälfen Schwerverbrechern, auch dem mutmasslichen Mörder von Alexandra.
Die Änderungen im Strafgesetz hätten mehrere Schwachstellen: Hausdurchsuchungen seien schwieriger geworden, es brauche dafür mehr Bürokratie. Deshalb habe die Polizei im Fall Alexandra so lange vor der Haustür gewartet.
Gesetze unter Mithilfe von Kriminellen?
Der mutmassliche Täter könne nach neuem Recht nicht mehr für den Rest seines Lebens ins Gefängnis gesteckt werden. Er sei nämlich 66 Jahre alt und ab Alter 65 verbiete das neue Gesetz lebenslange Strafen.
Nach neuem Recht dürfe der Täter dabei sein, wenn ein Gerichtsmediziner die Leiche untersuche, sogar wenn die Familie des Opfers ebenfalls im Raum sei. Pirlog ist der Meinung, dass Kriminelle indirekt an den neuen rumänischen Strafgesetzen mitgewirkt hätten: «Viele Anwälte von Schwerverbrechern haben gute Beziehungen zur Regierung, deshalb all die Neuerungen.»
«Wir schützen die Täter stärker als die Opfer», sagt Staatsanwalt Pirlog. Die Täter, die die Regierung eigentlich schützen wollte, waren Korrupte, auch in den eigenen Reihen. Die Regierung will, dass Korruption schneller verjährt und will abgehörte Gespräche vor Gericht nicht mehr zulassen.
Einheit ermittelt gegen Richter und Staatsanwälte
Am meisten Sorgen bereitet Pirlog aber eine neue Ermittlungseinheit, die die Regierung geschaffen hat. Sie hat die Aufgabe, gegen Richter und Staatsanwälte zu ermitteln.
So wolle die Regierung unabhängige Juristen einschüchtern. Auch solche, die in Mordfällen ermitteln, wie Staatsanwalt Pirlog, der auch Mörder überführt. Die neue Ermittlungseinheit hat zwei Disziplinarverfahren gegen ihn am Laufen.
Was geschieht mit den neuen Gesetzen?
Am Dienstag ist der rumänische Innenminister nach nur sechs Tagen im Amt zurückgetreten. Er hätte einen Bericht zum Mordfall Alexandra vorstellen sollen. Einen Tag zuvor hat das rumänische Verfassungsgericht einen Teil der neuen Strafgesetze zurückgewiesen. Es ist nun am Parlament, diese ganz zu streichen.