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Nach Foltervorwürfen Israel in Aufruhr: Das sind die Gründe

Soldaten sollen einen Gefangenen aufs Schwerste misshandelt haben – als sie zur Befragung abgeführt wurden, protestierten rechte Politiker aus Parteien von Netanjahus Regierungskoalition.

Am Montag sind rechtsgerichtete israelische Politiker und Zivilisten in zwei Militärbasen eingedrungen, nachdem die Militärpolizei neun Soldaten abgeführt hatte. Die Soldaten sollen einen palästinensischen Gefangenen zuvor aufs Schwerste gefoltert haben.

Das Militärgefängnis in Sdeh Teiman im Süden Israels ist berüchtigt: Laut Menschenrechtsorganisationen und israelischen Whistleblowern sollen palästinensische Gefangene aus dem Gazastreifen dort massivst gefoltert und misshandelt werden.

Neun Soldaten zu Befragung abgeführt

Kürzlich wurde ein dort Inhaftierter mit schweren Verletzungen im Analbereich in ein Spital eingeliefert – am Montag holten die Militärpolizisten dann neun Soldaten zur Befragung ab.

Doch sie stiessen auf Widerstand. Laut israelischen Medienberichten setzten in Sdeh Teiman anwesende Soldaten Tränengas gegen die Militärpolizisten ein und versuchten, die Verhaftungen zu verhindern.

Das sagt Auslandredaktorin Susanne Brunner

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Menschenmenge mit israelischen Flaggen vor einer Militärbasis.
Legende: An den Protesten nahmen auch rechte Politiker aus Parteien der Regierungskoalition teil. Reuters/Rami Amichay

«Für die Gegner von Premier Benjamin Netanjahu sind die Vorgänge eine Bestätigung dafür, dass er die Kontrolle über die Extremisten in seiner Koalition verloren hat. Sicher ist: Dass Zivilisten in zwei Militärbasen eindringen konnten, ist ein Alarmzeichen. Und Verteidigungsminister Galant verlangt nun eine Untersuchung darüber, ob Polizeiminister Gvir angeordnet hatte, die Ausschreitungen nicht zu verhindern.

In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Zeugnisse israelischer Soldaten über die äusserst brutale Behandlung von palästinensischen Gefangenen aus Gaza. Auch gibt es von Menschenrechtsanwälten dokumentierte Verletzungen von Betroffenen. Und sie sagen unisono: So schlimm wie in den letzten Monaten waren die Übergriffe israelischer Sicherheitskräfte auf palästinensische Gefangene seit Jahrzehnten nie. Doch Polizeiminister Gvir hält es für normal, dass man Gefangene so behandelt.

Immerhin: Dass im vorliegenden Fall ein Militärgericht eingeschritten ist und neun verdächtige Soldaten zum Verhör abholen liess, zeigt, dass sich zumindest ein Teil Israels auch im Krieg als Rechtsstaat versteht. Die israelische Regierung hat nach dem Hamas-Angriff im letzten Herbst allerdings Zehntausende von Gewehren an Zivilisten verteilt. Jetzt warnt die Opposition vor einer bewaffneten, rechtsextremen Miliz, über welche die Armee zunehmend die Kontrolle verliere.»

Unterstützung erhielten die Soldaten von Demonstranten, welche die Absperrung des Militärgefängnisses durchbrachen und auf das Gelände eindrangen. Unter ihnen befanden sich auch rechtsextreme Politiker, die der Regierungskoalition von Premier Benjamin Netanjahu angehören.

Rechtsgerichtete Politiker unter Demonstranten

Nur wenig später spielten sich ähnliche, tumultartige Szenen vor einer zweiten Militärbasis ab, wohin die neun Soldaten zur Befragung gebracht worden waren. Auf dem Militärstützpunkt Beit Lidd befindet sich ein Militärgericht. 

Einige der inzwischen etwa 200 Demonstranten drangen ins Gerichtsgebäude ein. Darunter waren wiederum rechtsgerichtete Parlamentarier und laut Medienberichten auch maskierte Soldaten.

Der extrem rechte Polizeiminister Itamar Ben Gvir bezeichnet die Verhaftungen der verdächtigten Soldaten als inakzeptabel. Die Armee und der Verteidigungsminister sollten sich ein Beispiel daran nehmen, wie mit Terroristen in zivilen Gefängnissen umgegangen werde, für die er zuständig ist.

Dort gebe es keine schonungsvolle Behandlung von Gefangenen.

Besorgter Verteidigungsminister

Verteidigungsminister Yoav Galant hingegen sprach von einem schweren Schlag gegen die staatliche Sicherheit und die Autorität der Regierung und stellte sich klar gegen Regierungsmitglieder, die sich an den Krawallen beteiligt haben sollen.

Galant lässt den Militärstützpunkt Beit Lidd nun strenger bewachen, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Die neun verhafteten Soldaten sollen innert Kürze vor einem Militärgericht aussagen.

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Rendez-vous, 30.7.2024, 12:30 Uhr;kobt

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