Während Monaten hielt «Partygate» die britische Politik in Atem. Während die Britinnen und Briten im Lockdown zu Hause ausharrten, wurden in Downing Street nachweislich Partys gefeiert. Die Untersuchungen sind immer noch am Laufen. Premierminister Boris Johnson wurde bereits gebüsst. Weitere Bussen könnten folgen. Nicht nur für Johnson, sondern ebenso für Labour-Chef Keir Starmer.
Abrupte Planänderung
Die Absage kam kurzfristig. Am Montag wollte Starmer eigentlich vor Journalistinnen und Journalisten Red und Antwort stehen. Doch Pläne würden sich gelegentlich ändern, lautete die lapidare Absage aus der Parteizentrale. Der wahre Grund ist wohl eher, dass sich die Fragen an Labour Chef Starmer übers Wochenende unangenehm geändert hatten.
Die Geschichte begann vor Monaten mit harmlosen Bildern. Sie zeigten, wie Starmer während dem Lockdown mit Genossinnen und Genossen in einem Parteibüro im Norden Englands Bier trinkt. Lediglich eine kurze Erfrischung mitten im Wahlkampf, hiess es damals. Doch es wurde offensichtlich auch gegessen. Vor wenigen Tagen tauchte für denselben Anlass eine Curry-Bestellung für mindestens 20 Personen auf. Eine kurze Verpflegung zwischen zwei Sitzungen, hiess es von Labour.
Zwischenverpflegung oder Party?
Auf der Quittung, die der britischen Sonntagspresse zugespielt wurde, ist jedoch ersichtlich, dass das indische Geflügel erst abends um Neun geliefert wurde. Zwei Stunden später seien verschiedene Anwesende nicht nur satt, sondern auch betrunken gewesen. Ob «Beergate» eine notwendige Zwischenverpflegung war oder eine Party, untersucht mittlerweile die Polizei.
Hat die Welt nicht andere Sorgen? Wen interessiert es, ob Starmer im Herbst in Durham Bier getrunken hat? In Europa wird ein Krieg geführt. Millionen von Britinnen und Briten wissen nicht mehr, wie sie Ende Monat ihre Rechnungen bezahlen sollen. Je mehr die Pandemie verblasst, desto seltsamer mögen Ermittlungen erscheinen, wer wann Geburtstagskuchen oder Chicken-Korma gegessen hat.
Rücktritt bei Busse
Doch Starmer ist jener Mann, der Johnson nun seit Monaten mit forensischer Präzision für dessen frivolen Festivitäten öffentlich seziert. Wenn der Premierminister nur ein bisschen Rückgrat habe, solle Johnson zurücktreten. Damit hat der ehemalige Staatsanwalt die moralische Messlatte gesetzt, an der er nun selber gemessen wird.
Am Montag hat er die Latte noch höher gehängt: Er werde zurücktreten, wenn er von der Polizei gebüsst werde. Mit diesem Schritt pokert Starmer ziemlich hoch, aber taktisch geschickt. Er erhöht auf subtile Weise den Druck auf Boris Johnson und zeigt insbesondere Rückgrat.