Die Gruppe Wagner ist für Russland in Afrika ein Erfolgsmodell. «Moskau hat keinerlei Interesse, sie aufzulösen», sagt die Menschenrechtsanwältin und Strafrechtlerin Clarissa Rodio auf einem Webinar der US-Denkfabrik FPRI, die sich auf Söldnerorganisationen spezialisiert hat: «Der Kreml gäbe damit viel Einfluss in Afrika preis.»
Wagner ist mehr als eine Söldnertruppe, sagt der frühere hochrangige US-Pentagonfunktionär und spätere Botschafter Charles Ray: «Vielmehr ist sie zugleich ein Propaganda-Arm der russischen Führung und ein verschachteltes Firmenkonglomerat, das afrikanische Rohstoffe – Diamanten, Gold und viele andere – mit grossem Profit ausbeutet.» Hinter den Kulissen laufe nun ein Kampf um die Kontrolle über diese Firmen.
Prigoschin ist tot – Wagner lebt weiter
Anscheinend hat Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin seinen Sohn Pawel zum Erben bestimmt, sagt Clarissa Rodio. Vermutlich profitieren künftig aber auch Putin-nahe Oligarchen von den Wagner-Unternehmen. Aussenminister Sergei Lawrow liess keine Zweifel daran, dass Russland am Afrika-Engagement mithilfe der Wagner-Gruppe festhält.
Im Westen übersah man viele Jahre lang, wie systematisch Russland den früheren Einfluss der kollabierten Sowjetunion in Afrika wieder aufbaute. Das begann nicht mit dem Beginn der Präsenz der Gruppe Wagner 2017, sondern mehr als ein Jahrzehnt früher.
Von Libyen bis nach Madagaskar
Inzwischen bestehen mit neunzehn afrikanischen Staaten Abkommen über militärische Zusammenarbeit, nicht zuletzt über Rüstungslieferungen. Die Wagner-Gruppe ist in einem Dutzend Staaten direkt vertreten, von Libyen bis Madagaskar.
Nach Prigoschins Tod dürfte die direkte Kontrolle des Kreml und des russischen Sicherheitsapparates sogar noch zunehmen.
Obschon die Wagner-Kämpfer häufig gravierende Kriegsverbrechen mit Hunderten von Toten begehen, sind sie vielerorts weniger unbeliebt, als man vermuten würde. Denn offiziell kämpfen sie gegen Dschihadisten, wenngleich es häufig schlicht um die Verteidigung diktatorischer Regime geht. Doch das vernebeln die erfolgreichen russischen Desinformationskampagnen.
Die Bedeutung der Wagner-Gruppe aus afrikanischer Sicht
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Samuel Burri berichtet für SRF aus Kenias Hauptstadt Nairobi. Er klärt die wichtigsten Fragen zum Wirken der Wagner-Gruppe auf dem afrikanischen Kontinent.
SRF News: Wie viel Einfluss haben die Wagner-Kämpfer in Afrika?
Samuel Burri: Ihr Einfluss wird gelegentlich überschätzt und manchmal auch übertrieben. «Wagner» ist ein Reizwort, das vom Westen gerne genutzt wird. Kürzlich etwa im Kongo: Dort wurden osteuropäische Sicherheitsleute mit Wagner-Kämpfern verglichen, obwohl sie rein gar nichts mit ihnen gemeinsam haben. Auf der anderen Seite darf man Wagner auch nicht unterschätzen. Denn die Truppe ist extrem effizient für den russischen Staat. 1000 bis 2000 Mann reichen, um ein ganzes afrikanisches Land auf die Seite Russlands zu ziehen, etwa in internationalen Institutionen.
In wie vielen Ländern sind die Truppen erwiesenermassen aktiv?
Militärisch derzeit lediglich in vier von 54 Ländern Afrikas. Dazu kommen allerdings wirtschaftliche Aktivitäten von Wagner-Firmen, etwa im Rohstoffbereich. Im politischen Bereich gibt es beispielsweise Desinformationskampagnen. Wenn man das zusammenzählt, kommt man auf ein Dutzend oder mehr afrikanische Staaten mit Wagner-Präsenz.
Wie steht die Bevölkerung Afrikas zu den Kämpfern?
Es ist schwierig, hier eine generelle Aussage zu treffen. Das Bild ist sehr gemischt. Oft kommen die Kämpfer in einer heiklen Sicherheitslage in ein Land. In Mali sah man die Russen kurz nach dem Abzug der Franzosen als neue Partner und Hoffnungsträger im Kampf gegen Dschihadisten an. In der Zentralafrikanischen Republik waren die Wagner-Leute schon länger aktiv, als ich das Land bereist habe. Die Menschen fürchteten sich auch vor ihnen. Die Kämpfer haben sich im Land gewaltsam Goldminen angeeignet und scheinbar wahllos Menschen getötet. Es sind raue Gesellen, denen man im Alltag lieber nicht begegnen will.
Haben die Wagner-Leute bei ihren Einsätzen auch Positives bewirkt?
Wagner-Milizen können in gewissen Situationen für mehr Sicherheit sorgen. In der Zentralafrikanischen Republik haben sie vor vier Jahren mitgeholfen, die Regierung zu verteidigen, als Rebellen auf die Hauptstadt marschiert sind. Sie schlugen die Rebellen zurück und es hiess damals sogar, dass die US-Botschaft von Russen bewacht worden sei. Die Bevölkerung war auch froh darüber, dass die brutalen Rebellen vertrieben wurden. In Mali findet derzeit ein gemeinsamer Vorstoss von Wagner-Kämpfern und der nationalen Armee gegen Tuareg-Rebellen und Dschihadisten statt. Das kann helfen, den Staat etwas zu stabilisieren und zumindest vorläufig auch positiv sein.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.
«Nach Prigoschins Tod dürfte die direkte Kontrolle des Kreml und des russischen Sicherheitsapparates sogar noch zunehmen», so Clarissa Rodio. «Hingegen liegt es nicht im russischen Interesse, mit offiziellen Truppen in Afrika präsent zu sein, wie das etwa die Franzosen und die UNO-Blauhelme waren und zum Teil noch sind. Dank Wagner kann sich Moskau distanzieren von Gewaltexzessen der Wagner-Söldner.»
Antiwestliche Ressentiments in Afrika
Der Erfolg der Wagner-Präsenz hat viel damit zu tun, dass in Afrika antiwestliche Rhetorik noch immer verfängt. Auch ein Zweidritteljahrhundert nach der Unabhängigkeit afrikanischer Staaten von den früheren Kolonialmächten weisen afrikanische Staatschefs immer noch die Hauptschuld an allem, was schiefläuft – und was sie selber falsch machen – dem Westen zu. «Entsprechend wenig», so Charles Ray, «kann der Westen gegen die Gruppe Wagner unternehmen».
Als Rezepte für die Stärkung des Westens in Afrika werden mehr Engagement genannt, politisch und wirtschaftlich, oder eine verlässlichere Unterstützung afrikanischer Regierungen – und zwar egal, ob sie nun mehr oder minder demokratisch sind. Doch Ersteres funktioniert nicht auf die Schnelle. Und Letzteres ist moralisch fragwürdig.
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