Sein Aufstieg: Prigoschin sei in der Sowjetzeit ein klassischer Krimineller gewesen, der im Gefängnis sass, erklärt die Russlandexpertin Margarete Klein. Zu Beginn der postsowjetischen Zeit hat er dann sein Geld gemacht mit Catering für staatsnahe Betriebe wie Kitas, Schulen oder die Armee. «Das war eine grosse Bereicherungsmöglichkeit für ihn», so Klein.
Jewgeni Prigoschin weitete sein Geschäftsfeld anschliessend mit verdeckten Tätigkeiten für den russischen Staat aus. So etwa die vom Kreml finanzierte «private» Militärgruppe Wagner. Laut Klein ist diese aber gar nicht privat, sondern «sehr eng mit dem Staat verbunden». Indem die Gruppe in der Ukraine, in Syrien sowie Afrika tätig sei, habe Prigoschin für den Staat wichtige Funktionen übernommen. Dazu gehöre, den Einfluss Russlands im Ausland zu erweitern.
Sein Einfluss: «Ich glaube, dass sein Einfluss im Westen überschätzt wird», findet Klein. Obwohl Prigoschin wie Putin aus Sankt Petersburg stammt und sich beide laut dem russischen Präsidenten seit den 1990er-Jahren kennen, habe er nie zum engsten Machtzirkel um Putin gehört, der aus Leuten mit Hintergrund im sowjetischen KGB bestehe, aus dem Putin selber kommt. «Prigoschin ist ein Aussenseiter, weil er nicht diese Sozialisierung hat, sondern ein Krimineller und schillernder Gewaltunternehmer ist.»
Seine Bedeutung für Putin: Trotz seiner Aussenseiterrolle habe Jewgeni Prigoschin wichtige Funktionen für das Regime übernommen, erklärt Klein. So erledigte er gerade auch im militärischen Bereich Dinge, die die Streitkräfte teils mit Problemen behaftet hätten: Zum Beispiel sehr personalintensive Kämpfe wie in Bachmut, wo Zehntausende Wagner-Söldner getötet wurden. «Solche hohe Verluste wären für die russischen Streitkräfte nach Innen ein Problem gewesen.» Durch den Krieg in der Ukraine habe Prigoschin letztlich eine ganz neue Rolle erhalten, wo er einen offenen Konflikt mit dem Verteidigungsminister einging, dann die offene Meuterei, was letztendlich sein politisches Ende bedeutet habe, so Klein.
Sein Erbe: «Wagner mag vielleicht als ein Name bestehen bleiben», dies wegen des Brandings, «aber das Modell dieser besonderen privat-öffentlichen Militärfirma, das ist wirklich am Ende», ist Klein überzeugt. Und es werde auch nicht mehr zu so einem Modell kommen, «weil die Lehre Putins sein muss, eine solche Akkumulation von bestimmten Ressourcen in den Machtstrukturen nicht mehr zu erlauben».
Sein Vermächtnis: Zu den Dingen, die Jewgeni Prigoschin hinterlässt, gehören laut Klein die unwahrscheinliche Brutalität und der Zynismus. Zudem habe er durch die Meuterei seiner Gruppe die Schwäche des Systems Putin gezeigt: Der Präsident agierte reaktiv, sprach zuerst von Verrat und Bestrafung und liess Prigoschin danach zwei Monate gewähren. Gleichzeitig wussten die Gouverneure während der Meuterei nicht, was sie machen sollten, weil sie immer daran gewöhnt gewesen waren, von oben Anweisungen zu erhalten.
Zugleich zeige sich anhand des Endes von Prigoschin aber auch, dass Putin – wenn es sich tatsächlich um eine gezielte Tötung gehandelt hat, und davon könne man im Moment mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen – am Schluss die Verräter bestrafe. Damit werde ein Zeichen an all jene gesendet, die versuchen oder überlegen würden, sich von diesem Regime abzusetzen. Putins Botschaft ist für Klein, «dass die Strafe wirklich letztendlich der physische Tod ist».